Der kuratierte Community-Blog für Architektur und Lifestyle  •  seit 2004

Muss Münchens Image verändert werden?

Eine anregende Diskussion zum Image der Stadt wurde am 8. Juli auf Einladung von muenchenarchitektur geführt: Experten schilderten die aktuellen und künftigen Aufgaben und Probleme, mit denen sich Stadtentwickler, Architekten und Politiker im Bereich Tourismus, Hotellerie und Gastronomie auseinandersetzen müssen.

Befragt man ortsansässige Experten, nehmen diese München als Hochburg für Kunst, Kultur und Kreativität wahr. Von außen gesehen bestimmen allerdings andere Dinge das Bild der Stadt: Oktoberfest, Hofbräuhaus und Biergärten. Wie sich dieses Klischee korrigieren und ein neues Image implementieren lässt, wurde am 8.7. in der Architekturgalerie (an der Theke) diskutiert. Auf Einladung des Internetportals muenchenarchitektur.com, das mit dieser Talkrunde auch seinen 10. Geburtstag feierte, tauschten sich Geraldine Knudson (Münchens neue Tourismus-Chefin), Szene-Gastronom und Architekt Sascha Arnold sowie Felizitas Romeiß-Stracke (Soziologin und Stadtplanerin) vor interessiertem Publikum aus. Das Gespräch moderierte Bettina von Massenbach, Geschäftsführerin von Oyster Culinary Management.

„International gesehen haben wir gute Zuwachsraten", stelle Geraldine Knudson fest. „Im deutschen Bereich, der für uns eine gebildete, wohlhabende, anspruchsvolle und wichtige Zielgruppe darstellt, stellen wir aber leichte Rückgänge fest." Um diesen entgegenzuwirken, sei von großen Leistungsträgern der Förderverein TIM (Tourismus Initiative München) gegründet worden. Basierend auf einer Markenanalyse, die zunächst in Auftrag gegeben wurde, habe dieser eine Marketingstrategie entwickelt, die im Herbst veröffentlich werden soll und Kunst, Kultur sowie Kreativität als imageprägende Themen-Schwerpunkte hat, um in auslastungsschwachen Zeiten wie Frühjahr und Spätherbst für mehr Zulauf zu sorgen.

Als Paradebeispiel für neue Ideen stellte Sascha Arnold, der mit seinem Partner Steffen Werner in den letzten 13 Jahren die Münchner Szene als "Quereinsteiger" mit unkonventionellen Newcomern von der Edmoses-Bar über den Bob Beaman Musicclub bis zum „Super Danke!" Smoothie-Laden bereichert hat, das neueste Projekt vor: The Flushing Meadows in der Fraunhoferstraße. In einem Gebäude der Telekom entstand auf zwei Etagen ein Hotel sowie eine Bar. Zusätzlich zu den fünf Zimmern, die Arnold Jäger Werner gestaltet haben, wurden elf Loft Studios in Zusammenarbeit mit befreundeten Persönlichkeiten aus den Bereichen Musik, Design, Gastronomie, Mode, Sport und Kunst eingerichtet. Resultat ist ein bewusst klein gehaltenes, persönlich geführtes Gegengewicht zu großen Häusern und Ketten, das seit der Eröffnung Anfang Juli begeistert gebucht wird.

„Individuelle Hotels werden wichtiger", bestätigte Felizitas Romeiß-Stracke. Hintergrund ist ihrer Ansicht nach die Entwicklung des Tourismus von der materialistisch geprägten Leistungsgesellschaft der 70er Jahre, bei der es um „Kriegen und Haben" gegangen sei, über die hedonistische Erlebnisgesellschaft der 80er und 90er Jahre mit einem Hauptinteresse an Events, Kicks und Spaß hin zur aktuellen „Sinn-Gesellschaft" oder „Experience Economy", bei der Architektur eine Raumerfahrung vermittele. „Gefragt sind Resonanzräume, die zu mir sprechen, wie ich bin – egal ob Hotel oder öffentlicher Raum".

Um letzteren in München besser erlebbar zu machen, soll laut Geraldine Knudson endlich ein Orientierungssystem in Angriff genommen werden, das auch die lang diskutierte Beschilderung des Kunstareals einschließt – ein „Rohdiamant mit unglaublichem Potenzial". Basierend auf einer Umfrage darüber, was Besucher als wichtigste Ziele in der Stadt empfinden, werden wohl Stelen auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in einem Umkreis von 360° und in der Art von Atomen von einem Viertel aufs nächste verweisen. „So entsteht die Möglichkeit, sich treiben zu lassen. Die Zeiten des Power-Tourismus, bei denen man einen Punkt nach dem anderen abgehakt hat, sind vorbei."

Interessante Anlaufstellen beim entschleunigten Flanieren gibt es ihrer Ansicht auch abseits der ausgetretenen Pfade mehr als genug: „Es geht darum, die schon vorhandenen kreativen Seiten der Stadt zu clustern und sichtbarer zu machen", so Knudson. „Wichtig ist nur, dass es etwas Besonderes ist", ergänzte Sascha Arnold, der traditionsreiche Institutionen wie die Pralinen-Ikone Elly Seidl oder das Delikatessenhaus Dallmayr genauso „speziell" findet wie In-Lokale. „Die Situation ist besser geworden", resümierte Nicola Borgmann, Leiterin der Architekturgalerie. „Ich muss unsere Stadt häufig ausländischen Besuchern nahe bringen. Dafür spannende Orte zu finden, fällt mir leichter als früher" – eine Feststellung, die Hoffnung auf einen Münchner Imagewandel à la London macht. „Die englische Hauptstadt war lange ein Synonym für Pub-Kultur", weiß Regine Geibel. „Heute identifiziert man sie mit einer boomenden Kreativ- und Kulturszene". Man darf gespannt sein, wie erfolgreich die Isarmetropole auf innovativen Einfallsreichtum statt selbstzufriedener Bierseligkeit setzt.

Das Thema der Diskussion wurde von Nicola Borgmann angeregt, da muenchenarchitektur.com nicht nur den ortsansässigen Architekten eine adäquate Präsentationsplattform bieten möchte, sondern allen Nicht-Münchnern die Vorzüge der Kunst- Design- und Architekturszene nahe bringt.

Weitere Informationen:

Die Arbeiten der Kunstausstellung können Sie hier sehen.

Herzlichen Dank an die Unternehmen, die diesen Abend ermöglicht haben:

H-I-M Villenbau, JUNG, Occhio, Graphisoft, FRENER REIFER Fassaden, Ludwig 6 Die Küche und holzrausch, die diese tolle Theke gebaut haben, sowie Urban Progress, MINI München und designfunktion.