Zeitgenössische Architektur in Bayern

Ein sicherer Umgang mit Gefahrenstoffen auf Baustellen

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Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen auf der Baustelle

Ob Dachsanierung, Innenausbau oder Komplettumbau: Auf Baustellen kommen tagtäglich Materialien zum Einsatz, die potenziell gesundheits- oder umweltschädlich sind. Auch Routinetätigkeiten – Anstriche, Dämmungen, Abdichtungen – können bei genauerem Hinsehen eine Vielzahl chemischer Substanzen freisetzen: von flüchtigen Lösemitteln bis hin zu Asbestfasern in Bestandsgebäuden. 

Besonders in der Sanierung von Altbauten – wie sie in Städten wie München zum Alltag gehören – ist ein geschulter Blick auf Gefahrstoffe unerlässlich. Der folgende Überblick zeigt, worauf es ankommt.

Was sind typische Gefahrstoffe auf der Baustelle?

Der erste Schritt für sicheres Arbeiten auf der Baustelle ist, sich einen Überblick zu verschaffen. Nachfolgend eine Übersicht typischer Gefahrstoffe am Bau:

Stäube

  • Quarzstaub entsteht bei der Bearbeitung mineralischer Baustoffe (Beton, Ziegel) und ist als krebserregend eingestuft. 
  • Zementstaub wirkt haut- und augenreizend, besonders beim Anmischen.
  • Holzstaub ist potenziell krebserregend und kann Allergien auslösen.

Flüssigkeiten und Dämpfe

  • Lösemittel können Atemwegs-, Nerven- und Organschäden verursachen, manche (z. B. Aceton) bergen Explosionsgefahr.
  • Epoxidharze können Allergien auslösen und ätzend wirken.
  • Bleihaltige Farben sind toxisch – beim Abschleifen alter Farbe in Altbauten entsteht oft gefährlicher Bleistaub.

Dämmstoffe

  • Künstliche Mineralfasern (KMF), die vor 1998 hergestellt wurden, gelten als krebserregend. Neuere KMF sind nicht mehr karzinogen, jedoch weiterhin reizend.
  • PU-Schäume enthalten Isocyanate, die allergische Reaktionen auslösen können.

Asbest

Asbest ist ein nach wie vor hochgefährlicher Stoff, der in Altbauten vorkommt – etwa in Dämmungen, Dachplatten oder Bodenbelägen. Jegliche Bearbeitung muss spezialisierten Fachfirmen überlassen werden.

Bitumen und PAK-haltige Produkte

Ein oft übersehener, aber relevanter Gefahrstoffbereich betrifft bitumen- und teerhaltige Altmaterialien, die bei der Sanierung älterer Flachdächer, Parkettböden oder Kellerabdichtungen anzutreffen sind. Diese Produkte enthalten häufig polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) – eine Stoffgruppe, die nachweislich krebserregend ist und erhebliche Umweltgefahren birgt.

Öle, Kraftstoffe, Schmiermittel

Diese Stoffe gelten als entzündlich, können die Haut reizen und sind in vielen Fällen stark wassergefährdend. Bereits kleinste Leckagen können Boden und Grundwasser dauerhaft schädigen, vor allem im Falle von Altöl.

Druckgasbehälter

Druckgasbehälter unterliegen strengen Vorschriften, da die darin enthaltenen Gase eine Vielzahl an Gefahren bergen: z. B. Brände, Explosionen, Vergiftung oder Erstickung. Sie müssen nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 510) etwa vor Hitze geschützt, aufrecht gelagert, gegen Umfallen gesichert und gut belüftet aufbewahrt werden.

Gefahrenstoffe am Bau erkennen und beurteilen

Nicht immer ist es auf den ersten Blick möglich, die genannten Gefahrstoffe zu erkennen. Einige entfalten ihre Wirkung erst bei der Verarbeitung – etwa als Staub, Dampf oder Reaktionsprodukt. Umso wichtiger ist es, bei der Gefahrenprävention systematisch vorzugehen.

Gefahrstoffkataster

Ein zentrales Werkzeug ist das Gefahrstoffkataster bzw. Gefahrstoffverzeichnis – ein Verzeichnis aller eingesetzten Gefahrstoffe auf der Baustelle, inklusive Mengenangaben, Verwendungszweck und Gefahrenpotenziale. Es bildet die Grundlage für jede Gefährdungsbeurteilung. 

Laut Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) muss jeder Betrieb, der mit entsprechenden Gefahrstoffen arbeitet, verpflichtend ein arbeitsplatzbezogen aktuelles Gefahrstoffverzeichnis führen. Neue Produkte dürfen erst nach Aufnahme und Bewertung eingesetzt werden.

Gefährdungsbeurteilung

Bevor ein neuer Stoff eingesetzt wird, muss seine Verwendung im konkreten Arbeitskontext bewertet werden. Dabei fließen Expositionsdauer und -häufigkeit, Arbeitsbedingungen und mögliche Stoffwechselwirkungen ein. Das Ergebnis wird schriftlich dokumentiert und bildet die Grundlage für notwendige Schutzmaßnahmen.

Kennzeichnung: Piktogramme, Signalwörter etc.

Alle Gefahrstoffe müssen gemäß CLP-Verordnung wie folgt gekennzeichnet sein:

  • standardisierte Gefahrenpiktogramme
  • ein Signalwort, entweder „Gefahr“ oder „Achtung“
  • H-Sätze (Gefahrenhinweise, abgeleitet von eng. „hazard statements“) und P-Sätze (Sicherheitsmaßnahmen, abgeleitet von eng. „precautionary statements“)
  • zusätzlich: Herstellerangaben, Chargennummer und Inhaltsstoffe

Sicherheitsdatenblätter (SDB)

Für jedes gefährliche Produkt muss zudem ein Sicherheitsdatenblatt (SDB) in deutscher Sprache verfügbar sein. Das SDB bietet detaillierte Informationen zu Schutzmaßnahmen, Lagerung, Notfallmaßnahmen und Entsorgung. Da das Datenblatt jedoch sehr ausführlich ist, werden für die tägliche Praxis zusätzlich kurze Betriebsanweisungen erstellt.

Schutzmaßnahmen festlegen: das STOP-Prinzip

Sind alle Gefahrstoffe dokumentiert, muss der Umgang damit strategisch geplant werden. Das STOP-Prinzip gibt eine klare Rangfolge vor, wie Gefährdungen minimiert werden können:

  • Substitution: gefährliche Stoffe durch weniger gefährliche Alternativen ersetzen, etwa lösemittelfreie Farben
  • Technische Maßnahmen: z. B. Absaugungen oder geschlossene Systeme
  • Organisatorische Maßnahmen: z. B. Zugangsbegrenzung, Erstellen von übersichtlichen Betriebsanweisungen
  • Persönliche Schutzausrüstung (PSA): z. B. Atemschutz, Handschuhe und Schutzkleidung

Ergänzend dazu sind regelmäßige Schulungsmaßnahmen ein wichtiges Mittel, um das Personal auf der Baustelle zu sensibilisieren.

Vorschriften zur sicheren Lagerung und Entsorgung

Nicht nur der Einsatz, auch die Aufbewahrung von Gefahrstoffen und deren Entsorgung unterliegen klaren Regeln. Wer hier nachlässig ist, riskiert Unfälle. Es gilt, mindestens die folgenden Grundsätze zu beachten:

  • Lagerung in Originalgebinden mit vollständiger Kennzeichnung
  • Getrennte Lagerung inkompatibler Stoffe (z. B. Säuren und Laugen)
  • Einsatz von Auffangwannen bei wassergefährdenden Flüssigkeiten
  • Keine Lagerung in Fluchtwegen oder Aufenthaltsräumen
  • Zugangsbeschränkungen: Zugang nur für unterwiesene Personen
  • Frühzeitige Planung der Abfallentsorgung für Problemstoffe mit spezialisierten Entsorgungsunternehmen

Wer ist verantwortlich für das Gefahrstoffmanagement auf der Baustelle?

Sicherheit ist Teamarbeit: Planer, Architekten, Handwerksbetriebe und nicht zuletzt Bauherren tragen gemeinsam Verantwortung, den Umgang mit Gefahrstoffen sicher und gesetzeskonform zu gestalten. Eine klare Rollenverteilung ist dabei ebenso wichtig wie die konsequente Umsetzung.

  • Architekten und Planer müssen bereits in der Entwurfs- und Ausschreibungsphase auf Sicherheitsaspekte achten.
  • Bauherren haben koordinierende Pflichten, insbesondere bei Baustellen mit mehreren Unternehmen.
  • Ausführende Fachkräfte müssen die bereitgestellte PSA verwenden und Sicherheitsanweisungen befolgen.

Bei größeren Baustellen mit mehreren Arbeitgebern ist zudem ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) zu bestellen, der bereits in der Planungsphase sicherheitsrelevante Aspekte koordiniert und die Umsetzung während der Bauausführung überwacht.

Sicherheit als essenzieller Bestandteil der Baustellenplanung

Gefahrstoffe gehören zum Bau – aber ihre Risiken lassen sich beherrschen. Eine sorgfältige Planung, der gezielte Einsatz technischer Mittel und das Wissen über rechtliche Vorgaben sind die Basis für sicheres Bauen. Wer Risiken minimiert, handelt nicht nur gesetzeskonform, sondern auch verantwortungsvoll im Sinne einer nachhaltigen Baukultur.