Zeitgenössische Architektur in Bayern

Bereichernd und spannend

Die Macher des Münchener Stoff Frühlings erziehlten mit ihrem Novum eines Interior Congresses eine Punktlandung. Mit einem glücklichen Händchen für die Referenten und für das Datum - er fand am letzten Tag vor den coronabedingten Verboten von Veranstaltungen statt! Lesen Sie hier die Kernaussagen der Referenten...

Der Münchener Stoff Frühling beinhaltete heuer das erste Mal einen Interior Congress - dieser hatte das ständig aktuelle Thema „Future Living – Wie werden wir in Zukunft wohnen?" zum Fokus. Meistens werden bei dieser Art ganztägiger Kongresse die üblichen wenig konkreten Forecasts getroffen und die Aussagen der Redner gleichen sich oftmals, sodass man die geopferte Zeit in den meisten Fällen anschließend als nicht wirklich bereicherndes Invest ansieht.

Anders war es in diesem Fall! Das Team des Stofffrühlings, wie immer Klaus Winkler und Eberhard Müller, hatten Referenten ausgewählt, die mit konkreten Aussagen, interessanten Zukunftsvisionen, etlichen spannenden Slides und äußerst professionellen Auftritten die lange Zeit (9.00 bis 17.00 Uhr) kurzweilig und sehr informativ machten.

Allen voran die momentan (zu recht) omnipräsente Oona Horx-Strathern. Zukunftsforscherin und Ehefrau des noch bekannteren Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts in Wien. Sie zeigte in ihrer Keynote zum Start des Kongresses die Macht der Megatrends und deren Einfluss auf unser Wohnen auf. Anhand von wie U-Bahn-Fahrpläne aussehenden Charts konnte man die Megatrends und ihre Auswirkung auf die untergeordneten Trends ablesen. Sie erläuterte eindrücklich wie sich der Wohnungs-Grundriss für unsere Wissensgesellschaft geändert habe. Die Raumgrößen seien heute neu verteilt; die Funktionen abgewandelt: Das Bad mutiert zu einem Lounge-Ort ohne Fliesen, dafür mit Stoff und Holz, an dem relaxt, gelesen und sich geliebt wird. Die Küche wird immer mehr zum Dreh und Angelpunkt, zur sogenannten Lebens-Lounge für Kochen, Reden, Musik hören, Freunde treffen, Hausaufgaben machen etc. Das Wohnzimmer entfällt, an dessen Stelle tritt ein Media Room. Und das Homeoffice sei nicht mehr wegzudenken. (Diese Aussage wurde vor Corona getroffen...!)

Dr. Christian Mikunda, Ladendramaturg und Bestsellerautor, ging in seinem Vortrag auf die Verführungen am Point of Sale ein. „Konsumenten kaufen nicht Möbel, sondern Wohnträume. Die Wohnung der Zukunft wird zur Bühne inszenierter Hochgefühle".

Corinna Kretschmar-Joehnk, Hoteldesignerin und Autorin, gab Impulse für neue textile Konzepte für die internationale Hotellerie und für Interior-Inszenierungen. „Das Wohnen der Zukunft wird geprägt sein von der richtigen Balance zwischen einem Leben, das immer digitaler wird, und der Sehnsucht nach Rückzug und Natur als Gegenpol".

Produktdesigner Sebastian Herkner ging in seinem Beitrag auf das Thema „Analog oder digital? Dialog zwischen Tradition und Zukunft" ein und schwärmte von den Manufakturen, ohne deren Hingabe seine Entwürfe nicht realisiert werden könnten.

Weitere Speaker waren der Münchner Architekt Gerhard Landau, der Nachhaltigkeit durch Langlebigkeit propagiert und dies durch eine vorrangig elegant-traditionelle Gestaltung realisiert, die nicht ständig erneuert werden muss. Albin Kälin berichtete von Cradle to Cradle-fähigen und zertifizierten Produkten, der Wohnpsychologe Uwe Linke von der Einbeziehung des Unterbewusstseins des Kunden in den Entwurfsprozess und Oke Hauser machte uns neidisch in dem er die weltweit stattfinden Experimente zum Thema Future Living zeigte, die er und sein Team im Auftrag von MINI Living durchführen dürfen.

Die danach noch stattfindende Talkrunde mit dem Schönheits-Chirurg Prof. Mang, den Interior Designern Thomas Mang & Stefan Mauritz, dem Designer Bodo Sperlein und Dr. Nollert von der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne hätte man sich aus meiner Sicht sparen können. Der Kopf war voll und das Thema "Was ist schön?" eines, welches zu den immer gleichen Allgemeinplätzen einlädt, weil sich im Format der Podiumsdikussion selten jemand traut sich aus dem Fenster zu lehnen...

Die Vorträge jedoch waren wirklich sehens- und hörenswert! Ich freue mich schon auf den nächsten Interior Congress, voraussichtlich am 11. März 2021.

Münchner Stoff Frühling

Alle Fotos vom Event: Münchner Stoff Frühling / Jan Schmiedel