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Kitsch gehört zu München

Der Wallgauer Künstler Bernhard Rieger pflegt die sehr alte Tradition der Lüftlmalerei, eine volkstümliche Variante der Scheinmalerei aus dem Barock, die vor allem in der oberbayerischen Zugspitz Region die Fassaden der Häuser schmückt. Für iam interior.architects.munich hat er die Wände des Gemeinschaftsbereichs von Alteryx Office mit Figuren bevölkert, die alten bayerischen Postkartenmotiven entsprungen sein könnten.

Herr Rieger, wie passt Lüftlmalerei in die Münchner Niederlassung eines modernen amerikanischen Unternehmens?

Die Firmenphilosophie von Alteryx beinhaltet, dass an jedem Standort lokale Besonderheiten spürbar sein sollen. Dazu gehört alles, was Bayern authentisch nach außen trägt und repräsentiert. Bayern ist Laptop und Lederhose, Streetart und Lüftlmalerei. Für meine Lüftlmalerei bedeutet authentisch, dass ich mit historischen Techniken und Pigmenten arbeite, mit Vollmineralfarben, die zum Beispiel Kirchenmaler und Restauratoren seit der Renaissance und noch verwenden. Das muss dann aber nicht wie im Barock aussehen, die Motive dürfen auch modern interpretiert werden.

Beim Alteryx-Projekt haben Sie sich aber für volkstümliche, beinahe schon kitschige Motive entschieden. Warum?

Diese heile Welt rund um die oberbayerische Geselligkeit sieht man oft an den Fassaden der Wirtshäuser von Miesbach, Tegernsee und bis zu uns nach Mittenwald, das ist und gehört aber auch München. Ich recherchiere viel mittels alter Postkartenmotive und historischer Aufzeichnungen. Da schießt dann der Bursche dem Madl die Rosen auf der Wiesn. Heutzutage geht der Urmünchner vielleicht nicht mehr aufs Oktoberfest, aber ins Bräustüberl. Und da zieren dann ähnliche Motive das Stüberl oder die Fassade. Dieser leichte Kitsch passt zu der Stadt. Und wenn man genau hinsieht, haben die Figuren bei Alteryx Gesichter von Mitarbeitern der Firma. Der Chef zum Beispiel sitzt auf einer BMW-Classic mit Seitenwagen, gestaltet in den Firmenfarben von Alteryx. Zuerst wollte ich ihm den Bayerischen Löwen an die Seite geben, aber das hätten die Amerikaner wahrscheinlich nicht verstanden. Stattdessen habe ich ihm einen gelben Papagei auf die Hand gesetzt, der die große Flatter macht. Die Wolken im Gemälde sind den Designleuchten aus Papier nachempfunden, welche die Räumlichkeiten von Alteryx zum Himmel der Bayern machen. Da ist Schmäh drin, wie im gesamten Bild, und auch das passt zu München.

Sehen Sie die Lüftlmalerei eher als Kunst oder Handwerk?

Als Kunsthandwerk. Eigentlich mehr als Kunst. Die Ausführung und alten Techniken kann man erlernen, das ist Handwerk - die traditionell andere Darstellung meine Art von zeitgenössischer Kunst. Die Herausforderung besteht darin, die Motive an die heutige Zeit anzupassen. In vielen kreativen Bereichen kann man ablesen, dass sich in letzter Zeit eine Renaissance durchsetzt, die an alte Überlieferungen und Gestaltungsmethoden anknüpft und wieder aufleben lässt. Das sieht man zum Beispiel gut, wenn man sich die Plakate für das Oktoberfest der letzten 50 Jahre anschaut. In den 1960er/70er-Jahren hat man noch gemalt, im Laufe der Zeit wurden die Entwürfe immer abstrakter und digitaler. Für das Jahr 2020 hat sich dann aber ein verspieltes Motiv in Gold und Türkis auf altrosa Hintergrund durchgesetzt, das die Traditionen feiert: vom Riesenrad über die Weißwurscht bis zur Maß. Gerade die Farben erinnern stark an bekannte Motive der Lüftlmalerei. Ich liege also mit meiner Arbeit voll im Trend.

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