Der kuratierte Community-Blog für Architektur und Lifestyle  •  seit 2004

Erwachen aus Dornröschenschlaf

Bad Gastein war einst Treffpunkt der Schönen und Reichen, dann fielen die prächtigen Grandhotels in Dornröschenschlaf. Jetzt machen sich ein Münchner Investor und kreative Geister daran, dem Kurort wieder Leben einzuhauchen.

Schäumend und donnernd stürzen sich die Wassermassen über die Felswand und rauschen unter der Brücke hindurch ins Tal. Um den Bad Gasteiner Wasserfall mitten im Ortskern ranken sich jede Menge Geschichten. So soll Kaiserin Elisabeth, besser bekannt als Sisi, sich hier beinahe in selbstmörderischer Absicht in die Fluten gestürzt haben.

Dabei hielt sich die Kaiserin gerne in Bad Gastein auf und erwanderte die umliegenden Gipfel. Und sie war nicht die einzige. Gräfin Lehndorff hielt in der Villa Solitude ihren Kultursalon ab, Kaiser Franz Josef von Österreich und Kaiser Wilhelm II. gingen ein und aus. Industriemagnaten wie Thyssen, Krupp, Opel, Siemens, Rockefeller oder Vanderbilt kamen wegen der Kuren im nahegelegenen, radonhaltigen Heilstollen. „Die Ärzte rieten den Damen der Gesellschaft nach dem Dampfbad leicht bekleidet über die Brücke zu flanieren – die natürlich prompt zum Anlaufpunkt der männlichen Gäste wurde", erzählt Ortsguide Elisabeth Kröll.

Liz Taylor im Bahnhofsrestaurant

Später residierten illustre Größen aus dem Showbusiness vorzugsweise im Hotel de L'Europe. Liza Minelli soll sich in der Bar des ehrwürdigen Grandhotels täglich mit Jonny Walker vergnügt haben, Wes Anderson ließ sich hier angeblich für seinen Film „Grand Hotel Budapest" inspirieren. Wim Wenders hielt sich gern im Haus Hirt auf, Einstein in der Villa Mühlberger, Sigmund Freud in der Villa Excelsior. „Billy Wilder, Jude Law, Hugh Grant, Christoph Waltz - die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen", sagt Kröll.

Heute wird das Ortszentrum von baufälligen Grandhotels geprägt, die immer noch einen morbiden K.u.K.-Charme verströmen. Mitten drin: Das Kongresszentrum vom Salzburger Architekten Gerhard Garstenauer aus dem Jahr 1974, ein Betonungetüm, das seit 2007 ungenutzt vor sich hingammelt. Vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten sind große Teile des Ortszentrums an einen Wiener Immobilienentwickler verkauft worden. Statt der versprochenen Revitalisierung der denkmalgeschützten Bauten geschah - nichts.

Revitalisierung des Ortskerns durch Münchner Hirmer-Gruppe

Nun übernahm die Münchner Hirmer-Immobilien-Gruppe drei denkmalgeschützte Gebäude im Ortszentrum: das ehemalige legendäre Hotel Straubinger, das Badeschloss am Straubingerplatz und das Postgebäude. 7,5 Millionen Euro zahlten die Investoren. Geplant sind 130 Hotelbetten im Luxussegment. Erst kürzlich hatte das Münchner Unternehmen, bekannt für seine Modeprodukte, die Travel Charme-Gruppe übernommen, die elf hochwertige Hotels betreibt. „Ein zweistelliger Millionenbetrag fließt in die Renovierung", sagte der Sprecher der Unternehmensgruppe, Christian Hirmer, im September vor Ort. Bis 2023 sollen die Fast-Ruinen in neuem Glanz erstrahlen. Bad Gastein möchte sich selbst neu erfinden und ein junges zahlungskräftiges Publikum anziehen.

Hippster haben das „Monte Carlo der Alpen" schon wiederentdeckt

Die Mischung aus alpinem Ambiente am Kopfende eines Tales und eng gedrängt stehenden "Hochhäusern" aus der Belle Époque hat wahrlich seinen ganz eigenen Reiz, der insbesondere kreative urbane Geister anzuziehen scheint.

„Bad Gastein ist für mich der einzige Ort, den ich für mich auf der Welt gefunden habe, wo ich fühle, hier kann man noch etwas bewegen", sagt der Hamburger Olaf Krohne. Er ist seit Kindertagen von dem Ort fasziniert, kam immer wieder und führt seit einigen Jahren das Hotel Regina zusammen mit seinem Partner Jason Houzer. „Ich dachte mir schon als junger Mann, Mensch, diese Hotels könnte man doch wieder aufsperren. Die Tücher von den Möbeln nehmen und wiedereröffnen. Ich wollte immer junge Leute in diese leeren Häuser und Hotels bringen", erklärt er.

„Olaf hatte mir von einem Ort in den Bergen erzählt, wo ‚Paläste wie in St. Petersburg stehen'", erzählt Stefan Turowski. Mehr brauchte es nicht, um den Berliner nach Bad Gastein zu locken. Er war so begeistert, dass er im verlassenen Hotel de L'Europe am liebsten gleich ein Café aufgemacht hätte. Daraus wurde zwar nichts, aber zusammen mit Jan Breus führt er nun die Rudolfshöhe mit Blick auf Bad Gastein. Die beiden kamen kurzentschlossen mit einem Laster voller Möbel, strichen die Wände grau und dunkelgrün und arrangierten Antiquitäten, Fotografien und Ölbilder zu einem Gesamtkunstwerk mit vier Gästezimmern.

Auch Anna und Mark - sie Schwedin, er Australier - gehören zu der Generation junger, innovativer und umtriebiger Menschen, die sich in Bad Gastein verliebten, sich hier niederließen, um diesen ein Stück weit neu zu erfinden. Gemeinsam betreiben sie Betty's Bar, eine Location, die man in jeder großen Metropole dieser Welt erwarten würde, nicht jedoch in einem Kur- und Wintersportort auf über 1.000 Metern Seehöhe.