Zeitgenössische Architektur in Bayern

Ein Konzertsaal für Blaibach

In den vergangenen Jahren hat Peter Haimerl das „wahnsinnige Potenzial" seiner ehemaligen Heimat im Bayerischen Wald erkannt und realisierte dort...mehrere mutige Projekte – von „Cilli" über das Bürgerhaus Blaibach bis zum benachbarten Konzertsaal, der Mitte September eröffnet.

Vor 35 Jahren hat sich Peter Haimerl vom Bayerischen Wald verabschiedet, wo er 1961 geboren wurde. Zwei Jahrzehnte lang kehrte der Architekt, der 1991 sein Büro in München gründete, selten dorthin zurück. In den vergangenen Jahren hat er jedoch das „wahnsinnige Potenzial" seiner ehemaligen Heimat erkannt und realisierte dort mehrere mutige Projekte – von „Cilli" über das Bürgerhaus Blaibach bis zum benachbarten Konzertsaal, der Mitte September eröffnet.

Grund für seine Wiederentdeckung der an Tschechien und Österreich grenzenden Mittelgebirgs-Region ist ihr „spezieller" Charakter. „Die Gegend ist noch nicht so nivelliert und von Bildern vereinnahmt wie Oberbayern", so Haimerl. „Jeder Ort, jedes Haus ist individuell." Um diese Eigenheiten zu wahren, kombiniert er in kühnen Grenzgängen Tradition und Moderne. So platzierte er in den zentralen Räumen eines Cilli genannten „ruinösen Bayerwaldbauernhaus" von 1840 vier Betonkuben, „in denen das neue Leben stattfindet". Beim Vorhaben Bürgerhaus Blaibach ummantelte er einen bestehenden Altbau mit einer schlichten Fassade aus wärmeisolierendem Glasschaumschotterbeton. Und sorgte so im Rahmen des Städtebauförderung-Modellvorhabens „Ort schafft Mitte" für eine Wiederbelebung des verwaisten Dorfzentrums. Vis à Vis des neu geschaffenen Sitzes für Bürgermeister, Ratssaal und Touristinformation realisierte er gemeinsam mit dem in Deggendorf lebenden Bariton Thomas E. Bauer ein Konzerthaus, das wie ein Monolith aus dem Boden ragt.

Vor vier Jahren haben wir mit den ersten Überlegungen begonnen, seit anderthalb Jahren genauer geplant, im Winter mit dem Bau begonnen", blickt Haimerl auf die Entwicklungsphasen des Projekts zurück. Dabei musste so manche Klippe wie die Frage nach dem Sinn eines Konzerthauses mitten im Bayerischen Wald umschifft werden. Das ursprüngliche Gesamtbudget von knapp 1,7 Millionen, das als minimiertes Ausbaukonzept gedacht war, konnte durch Unterstützung, Sponsoring und Förderungen aufgestockt und so ein vollwertiger Konzertsaal geschaffen werden. Dabei ist Haimerl ein Novum weit weg vom „Billig-„ und „Wurzelsepp-Image" gelungen, unter dem der Bayerische Wald zu seinem Bedauern immer noch leidet: Aufgrund der Hanglage wählte der Architekt die Form einer „leicht gekippten Schuhschachtel" mit einer Grundfläche von circa zehn mal 20 Metern, die durch ein Foyer und Künstler-Garderoben ergänzt wird. Nach den Vorgaben der Akustik-Experten von Müller-BBM sorgt im Auditorium mit Platz für 200 Zuschauern, die auf ansteigenden Reihen aus Drahtstühlen sitzen, eine ausgeklügelte Faltung der Glasschaumschotterbeton-Wände für guten Klang. Außen wurde der schräg stehende Kubus mit Bruchsteinen aus Granit verkleidet, wobei manche der knapp 2.000 Bewohner von Blaibach, das eine Steinhauertradition hat, Hand anlegen durften.

Über mangelnden Zuspruch kann Haimerl nicht klagen: „Seit sechs Monaten kommen permanent Leute wie der Regisseur Edgar Reitz vorbei, der den Konzertsaal als Vorbild für ein Projekt in seinem Dorf nimmt", freut er sich. Am offiziellen Eröffnungswochenende 12. bis 14.9. im Rahmen der Kulturwald Festspiele, die Thomas E. Bauer 2014 zum siebten Mal organisiert, ist Haydns „Schöpfung" im brandneuen Konzertsaal Blaibach seit langem ausverkauft. Für Folge-Veranstaltungen rund ums Jahr sorgt die gemeinnützige Kulturwald GmbH. Auch an der Unterbringung auftretender Künstler wird gearbeitet: In einem angrenzenden, alten Bauernhaus möchte Peter Haimerl mit „ganz modernen Erweiterungen" Ferienwohnungen einrichten – ein Projekt der von ihm mitinitiierten offenen Interessengemeinschaft Haus.Paten, die sich „dem Erhalt und der Weiterentwicklung der Baukultur im Bayerwald" widmet. „Gewachsenes soll sinnvoll und behutsam ins Heute überführt werden", so ihr ambitioniertes Credo. „Neues soll sich qualitätsvoll am Vorhandenen orientieren."