Zeitgenössische Architektur in Bayern

Positive Signale

Positive Signale

Erfolgreicher Auftakt der Initiative WOHNRAUM FÜR ALLE...

Positive Signale von der Politik, ermunternde Stimmen aus der Verwaltung und Aufbruchstimmung bei den Menschen aus den Planungs- und Bauberufen durften die mehr als 120 Gäste zum Auftakt der Initiative WOHNRAUM FÜR ALLE am Samstag, den 21.11.2015 im Vorhoelzer Forum mitnehmen. Der große Andrang und die intensive Auseinandersetzung der Besucherinnen und Besucher mit dem Thema bestätigte das Initiatoren-Team bei ihrem Ziel, mit einer Ideenwerkstatt schnell und kostengünstig hochwertigen Wohnraum zu schaffen.

„Die Initiative ist dringend notwendig", betonte Landrat Christoph Göbel, bevor Rednerinnen und Redner in insgesamt 18 Kurzvorträgen, zum Großteil im kompakten Pecha-Kucha-Format, aus vielen unterschiedlichen Perspektiven Anregungen für die Lösung der Aufgabenstellung gaben. Politik und Verwaltung machten in ihren Vorträgen den Handlungsdruck deutlich und forderten die anwesenden Expertinnen und Experten auf, sich von gewohnten Modellen zu lösen und neue Konzepte zu entwickeln. „Möglichst unbürokratisches Vorgehen ist das Gebot der Stunde", fasste Mit-Initiator Christian Böhm, Vorsitzender des Deutschen Werkbund Bayern e.V., die Stimmung des Tages zusammen.

Bereits vor der aktuellen Flüchtlingskrise stand die Boom-Region München vor der Aufgabe, ein gewaltiges Bevölkerungswachstum meistern zu müssen. Für 2030 erwartet das Planungsreferat nach bisherigen Schätzungen knapp eine Viertelmillion neue Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtgebiet. Jetzt kommt in kurzer Zeit ein großer Anteil der wohl bald eine Million Flüchtlinge hinzu.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass das Thema eine Bedeutung hat, die weit über die Frage nach der Art des Wohnens hinaus geht. Die Verknappung des Wohnraums trifft spürbar auch die ansässige Bevölkerung und birgt damit die Gefahr gesellschaftlicher Konflikte. Die Güte des neu geschaffenen Wohnraums kann auf der anderen Seite zugleich auch den Grundstein für eine gelingende Integration der ankommenden Menschen legen. 

Die Ideenwerkstatt WOHNRAUM FÜR ALLE soll daher ausdrücklich neue Konzepte für Wohnungsbauprogramme liefern, die sowohl für Flüchtlinge als auch für Münchnerinnen und Münchner eine bezahlbare und zugleich qualitätsvolle Wohnumgebung schaffen – gut, bezahlbar und schnell.

KONKRETE PROJEKTE FÜR DIE IDEENWERKSTATT GESUCHT

Bis Ende Januar sind Planer/innen, Architekten/innen, Handwerker/innen, Unternehmen/innen – aber auch Juristen/innen, Wirtschaftsexperten/innen und Sozialwissenschaftler/innen eingeladen, in möglichst vielfältig besetzten Teams Vorschläge einzureichen. Jeder Beitrag soll auf einem Plakat DIN A 0 dargestellt und zusätzlich in einem kurzen Videoclip erläutert werden. Nach der Begutachtung durch ein hochkarätig besetztes Expertengremium werden alle Ideen im Februar 2016 in einer Ausstellung präsentiert. Der so entstandene Ideenpool ist die Grundlage für die Realisierungsphase ab dem Frühjahr 2016, in der innovative Vorschläge zur Anwendung kommen und deren Autoren beteiligt werden sollen.

Gute und nachhaltige Lösungen für die Wohnraumfrage sind entscheidend, für das weitere Gelingen der Integration. „Was im ersten Jahr verpasst wird, kann man kaum mehr aufholen", warnte Mayer. „Wir müssen darauf achten, dass keine große Separierung zwischen Flüchtlingen und Anwohnern stattfindet". Ein Meinung, die viel Zustimmung fand. Landrat Göbel setzt auf Systeme, die flexibel an Ihre Umgebung angepasst werden können, und zum Beispiel auch mit einem Satteldach funktionieren. „Die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft hängt stark ab von der baulichen Art der Unterbringung", mahnt Göbel zum Erhalt der Baukultur auch in Krisenzeiten. Der Landkreis München steht bei seiner Willkommens-Architektur besonders unter Druck: Aufgrund der großen Einwohnerzahl muss der Landkreis nach München und Nürnberg die meisten Flüchtlinge in Bayern unterbringen. Welche Rolle die bauliche Umgebung für das Gelingen der Integration spielt, stellte auch Irene Burkhardt, Vizepräsidentin des Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla), in ihrem Vortrag hervor, in dem sie auf die Bedeutung des Freiraums hinwies. Denn an der Qualität des öffentlichen Raumes, der Gemeinsamkeit entstehen lasse oder eben verhindere, entscheiden sich die Möglichkeiten des Kennenlernen und täglichen Austausches.

Auch einige Best-Practice-Beispiele von Flüchtlingsunterkünften und sozialem Wohnungsbau wurden präsentiert. Das Büro Ehret und Klein realisiert Unterkünfte im Landkreis München, die als fertige Module in flexibler Größenordnung komplett eingerichtet angeliefert werden. Michaela Metz vom Ziegel Zentrum Süd e.V. erläuterte die Möglichkeiten der Fertigziegel-Bauteile und Alexander Habla von der Landesinnung der Bayerischen Zimmerer stellte eine Plattform vor, auf der die Verfügbarkeit der Zimmerer in den Kommunen tagesaktuell abgebildet wird.

RENAISSANCE DES SOZIALEN WOHNUNGSBAUS

Beatrix Zurek, Stadträtin und Vorsitzende des Bayerischen Mieterbundes, beklagte, dass es in München große Defizite im sozialen Wohnungsbau gebe. Ein Umstand, der von Cornelius Mager, Leiter der Lokalbaukommission, bestätigt wurde. Die Zahl der Sozialwohnungen ist seit Jahren rückläufig. 1999 habe es noch 250 000 gegeben, 2014 nur noch 130 000. Im Jahr 2020 würden es 80 000 sein. Man müsse gegensteuern, sagte Zurek. Um mehr und günstigere Wohnungen schaffen zu können will man in der Lokalbaukommission auch die Dichte des Bauens neu diskutieren, kündigte Mager an. Eine Ankündigung, für die er von den Architekten und Architektinnen viel Unterstützung erhält. „Eine historische Stadt, in der wir uns gerne aufhalten, kann man mit der bayerischen Bauordnung gar nicht mehr bauen", kritisierte Matthias Ottmann, Chef der Firma Urban Progress, die Abstandsflächen der Bayerischen Bauordnung.

Die Überlegungen zu Wirtschaftlichkeit und Finanzierung bezahlbarer Wohnungen von unter 10.- Euro Miete pro Quadratmeter führten naturgemäß schnell zu der Frage, wo man Kosten sparen könne. Während Mit-Initiator Wolfgang Emrich, Grassinger Emrich Architekten, noch vorsichtig zur Diskussion stellte, ob einige Standards – insbesondere im Bereich des Energiesparens und des Schallschutzes – die Kosten im geförderten Wohnraum unverhältnismäßig in die Höhe treiben würden, rechnete Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. BFW, die Auswirkungen stetig steigender Standards als Kostentreiber konkret vor. Der Vertreter der Immobilienwirtschaft ist überzeugt, dass es eine konkrete Zunahme im privat finanzierten Mietwohnungsbau nur geben könne, wenn es steuerliche Erleichterungen gibt und die vorgeschriebenen Standards überdacht werden. Nur so könne der Mietwohnungsbau zum Eigentumswohnungsbau wieder konkurrenzfähig werden. Die Möglichkeiten der öffentlichen Förderung durch Darlehen erläuterten Bernhard Luber von der Bayern LB und Heinrich Rinderle von der Bayern Labo am Beispiel einer Immobilie aus dem sozialen Wohnungsbau, bei der Kosten und Erträge in eine gefährliche Schieflage gekommen seien. Zugleich machten die Bankenvertreter deutlich, dass es noch viele Rücklagen für Förderprogramme gebe. Ein Appell an Projektentwicklungen, den auch Roman Dienersberger von der Regierung von Oberbayern wiederholte. Unter dem Motto „Gebaut wird, was sich rentiert", wies er auf die wohlwollende Stimmung bei der Bewilligung von Förderanträgen hin. Um Investoren und Kommunen bei ihren Mietwohnungszielen zu unterstützen und gegebenenfalls auch zu vernetzen, forderte Karlheinz Beer, Landesvorsitzender Bund Deutscher Architekten Bayern, eine unabhängige Beratungsstelle für öffentliche und private Bauherren. In vielen Kommunen sei das Know-how für ein erfolgreiches Mietwohnungsprogramm einfach nicht da.

Auch wenn es eine solche öffentliche Institution noch nicht gibt, ist die Initiative WOHNRAUM FÜR ALLE ein erster Schritt in eine nachhaltige Vernetzung der Akteure. Man war sich einig, dass es bei der aktuellen Herausforderung nicht nur darum gehe, den Menschen möglichst schnell ein Dach über dem Kopf zu schaffen, sondern auch die Grundlage für gelingende Integration und damit für den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land zu legen. Denn nichts Geringeres als dies entscheide sich derzeit an der Frage, ob es uns gelingt, eine qualitätsvolle Baukultur mit den Anforderungen eines gewaltigen Wohnungsbauprogramms zu verbinden.

Das Schlusswort von Landrat Göbel dürfen die Menschen aus den Planungs- und Bauberufen daher durchaus als Aufruf verstehen: „Wir sind bereit, Impulse aufzunehmen, denn die ganze Gesellschaft braucht das."

HINTERGRUND DER INITIATIVE

Die Initiatoren sehen sich als Menschen aus den Planungs- und Bauberufen in der Pflicht, an der Bewältigung dieser Aufgabe mitzuwirken. Die kostengünstig realisierbaren Wohnungen müssen gute Wohnqualität und Gestaltung aufweisen und langfristig für alle Bevölkerungsgruppen nutzbar sein. Das Konzept muss Integration fördern und eine Ghettoisierung verhindern.

Die Initiative WOHNRAUM FÜR ALLE ging ursprünglich von Einzelpersonen und Büros aus dem Planungs- und Architekturbereich aus, die ihren Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingssituation leisten wollen. Nun hat der Deutsche Werkbund Bayern die Trägerschaft übernommen. Die Initiative hat Zuspruch von vielen Seiten erfahren, wir danken den Unterstützern Landeshauptstadt München – Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Bayern LB, Bayern Labo, BFW Landesverband Bayern e.V., Hans Sauer Stiftung, Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München, Metropolregion München e.V., und den Förderern Rechtsanwaltskanzlei Arnecke Siebeth und WÖHR + BAUER GmbH sowie den Medienpartnern muenchenarchitektur.com, mucbook.de, Grün&Gloria, CAD-Solutions Martin Schnitzler. Weitere Partner und Unterstützer sind ausdrücklich willkommen!

Weitere Informationen auf www.wohnraum-fuer-alle.de