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Bauliche und Ästhetische Nachhaltigkeit

Bauliche und Ästhetische Nachhaltigkeit

Seit 1994 führt Martin Kühleis gemeinsam mit Tobias de la Ossa die Bürogemeinschaft b17 Architekten in München. Von 1998 bis 2005 - aufgrund der gemeinsamen Projekte - als eingetragene Partnerschaft. Nunmehr mit zwei Büros wieder als Bürogemeinschaft. Das Leistungsspektrum der vergangenen Jahre führt über zahlreiche Realisierungen vom Verwaltungs- und Gewerbebau, Wohnungsbau, Schulen, Kindergärten, Um-/Ausbauten über die Erstellung von Konzepten/Gutachten bis hin zu Wettbewerben. Aktuell arbeiten beide Büros mit ca. 8 Mitarbeitern an 15 verschiedenen Projekten, darunter so schöne Projekte wie der Neubau eines Waldorfkindergartens oder ein Künstleratelier.

Für die 2003 realisierte Wohnanlage mit 64 Wohneinheiten, Läden und Tiefgarage auf der Theresienhöhe erhielten Sie im letzten Jahr den Bayerischen Wohnungsbaupreis 2005.


MUENCHENARCHITEKTUR.DE
:Herr Kühleis, was macht b17 Architekten aus und mit welcher architektonischen Sprache möchten Sie erkannt werden?

Kühleis: Sicher der jeweilige projekt- und aufgabenspezifische Entwurf, der durchaus auch spielerische und lustvolle Komponenten enthält, dann aber sachlich und diszipliniert umgesetzt wird. Unsere Prämisse ist bauliche und ästhetische Nachhaltigkeit, kein Bedienen temporärer Modeerscheinungen. Wir lassen uns gerne an der Praktikabilität und Funktionalität unserer Ergebnisse messen.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Mit welcher der bisher von Ihnen gebauten Architektur identifizieren Sie sich am meisten?

Kühleis: Im Bereich Gewerbebau mit dem Büro- und Verwaltungsgebäude MK3, Hier ist die geforderte Flexibilität der Grundrisse und Gebäudeflächen in einem kompakten Bauwerk sehr wirtschaftlich umgesetzt.
Im Bereich Wohnungsbau steht hier die Wohnanlage WA3. Die lockere und auf Einzelbaukörpern basierende Bebauungsstruktur berücksichtigt den städtebaulichen Leitgedanken des Bebauungsplanes und bildet dennoch einen differenzierten Innenbereich für das Wohnquartier, um dem Gemeinschaftsgedanken des genossenschaftlichen Wohnens entsprechend Raum zu geben. Ich halte diese Wohnanlage für ein sehr gutes Beispiel um den hohen Stellenwert des Außenraumes als Mehrwert für die Wohnqualität zu verdeutlichen.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Die Baubranche steckt seit Jahren in der Krise. Wo sehen Sie Ursachen und mit welchen Strategien wirken Sie dieser Situation entgegen?

Kühleis: Die Ursachen sind hinlänglich bekannt und werden in großen Zyklen immer wiederkehren. Mir fällt da ein herrliches Zitat von Paul Watzlawick ein: "Einer der landläufigsten Irrtümer über das Wesen des Wandels ist die naive Annahme, dass die Herbeiführung des Gegenteils dessen, was geändert werden muss, die Lösung darstellt."

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Sie haben einige Projekte in Zusammenarbeit mit Bauträgern umgesetzt. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht, war es möglich Ihre Prinzipien zu erhalten und sehen Sie grundsätzlich hier ein Innovationspotenzial?

Kühleis: Wir haben inzwischen über 10 Jahre hinweg gute Erfahrung mit Bauträgern gemacht. Ich denke es ist uns gelungen die grundlegenden Belange und Anforderungen eines Bauträgers zu verstehen und umzusetzen und dennoch die Freiräume auszuloten in denen ein Entfaltungspotential steckt. Wir führen einen Dialog der die Interessen des Bauträgers berücksichtigt und sich dennoch der Architektur verpflichtet fühlt. Innovationspotenzial besteht hier jedoch durchaus, da es schon noch vorherrschende Bauträgerpraxis ist, nur auf altbewährtes zurückzugreifen und keine „Experimente" zuzulassen. Wir haben aber eine Reihe von durchaus als „progressiv" zu bezeichnenden Bauträgerprojekten wie z.B. den Simmerleinplatz 8-10 mit loftartigen, teilweise zweigeschossigen Grundrissen oder unsere 11 Stadthäuser in Neu-Ulm als "Haus-auf-Haus"-Projekt.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Vor Ihrem Architekturstudium haben Sie eine Schreinerlehre gemacht und rund 5 Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Würden Sie dies rückblickend als Vorteil sehen? Nach dem Motto: "mehr Bodenständigkeit und weniger verträumtes Umgehen" mit der Architektur?

Kühleis: Sicher ist dies ein Vorteil in Bezug auf Detailplanung und Teilbereiche der Baukonstruktion, sowie im Umgang mit ausführenden Firmen. Ich würde das jedoch nicht überbewerten.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Wo sehen Sie Pro und Contra der derzeitigen Architekturausbildung?

Kühleis: Positiv ist hier nach wie vor die grundsätzlich hohe Ausbildungsqualität der gesamten Hochschulen. Klar ist jedoch, dass das größte Problem die Anzahl der Studienabgänger darstellt. Die Gesamtanzahl der Architekten bereitet in Deutschland so große Probleme, dass diese nicht mal mehr mittelfristig zu lösen sind. Es ist den wenigsten Studienanfängern klar wie sehr sich die spätere Berufsausübung von den allgemein vorherrschenden Idealbildern und Wunschvorstellungen unterscheidet.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Von den Münchner Neubauten haben es lediglich die Pinakothek der Moderne und die Allianzarena in die überregionale Presse geschafft. Wird interessante Architektur in München zu wenig gewertschätzt und kommuniziert?

Kühleis: Dies scheint so zu sein, ist aber ein Phänomen der allgemeinen Medien. Die Fachpresse stellt sich da durchaus anders da.
Es gibt natürlich in München viele interessante und wertzuschätzende Bauten, allerdings bei den meisten ohne den zukunftsweisenden Charakter oder visionären Mut wie ihn z.B. das Olympiastadium zum Ausdruck brachte.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: In anderen Ländern genießt Architektur oftmals einen ganz anderen Stellenwert und ist Bestandteil der nationalen Kultur- und Kunstpolitik. Woran liegt es, dass es in Deutschland nicht so ist?

Kühleis: Da die Architektur in der deutschen Schulausbildung eine so untergeordnete Rolle spielt, ist es nicht verwunderlich, dass es zu diesem geringen nationalen Stellenwert, besonders im Vergleich mit dem Ausland führt.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Existiert in München ein architektonisches Gesamtkonzept?

Kühleis: Sicher nicht und ich halte dies auch nicht für notwendig.

MUENCHENARCHITEKTUR.DE: Nehmen Sie an der Münchner Architekturszene aktiv teil? (Ausstellungen in der Architekturgalerie oder Veranstaltungen in der BYAK?)

Kühleis: Immer, soweit mir dies möglich ist. Es gibt ja glücklicher Weise eine große Vielzahl von Möglichkeiten. Nur reine „Sehenundgesehenwerden"-Termine meide ich.

Wir danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen und Ihrem Büro weiterhin viel Erfolg!

Büroprofil vom Architekturbüro b17

Projekt 1 in den architekturhighlights

Projekt 2 in den architekturhighlights

Veröffentlichung in der SZ vom Januar 2006