Acht Thesen zur Um-Baukultur
von Prof. Amandus Samsøe Sattler
Um-Baukultur ist Klimaschutz
1. Bestand zu respektieren und vielleicht sogar ‚gar nicht umzubauen', fällt uns schwer. Aber mehr und mehr Menschen können nicht verstehen, dass wir alte, schöne und gut gebaute Häuser abreißen und ideenlose, monotone, neu bauen. Dabei wird... verantwortungslos mehr Treibhausgas als notwendig emittiert, da die Sanierung und die Weiternutzung nur einen Bruchteil der Klimabelastung wäre. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Wissenschaftliche Erkenntnisse führen normalerweise zu gesetzlichen Regelungen. Bauvorschriften sollen wissenschaftlichen Erkenntnisse widerspiegeln.
Fazit: Wir brauchen dringend ein Gesetz, dass die Emission von Treibhausgas beim Bauen beschränkt, indem der festgesetzte Grenzwert mit der Genehmigungsfähigkeit gekoppelt ist.
2. Viele von uns, wohnen oder arbeiten in bestehenden Gebäuden und sind damit zufrieden oder sogar froh. Wenn aber Nutzungen und Gebrauchsbeziehungen wegbrechen beginnt das Problem. Der Boden wird zur Ware und Gebäude erscheinen als Last, wenn ökonomische Motive und mangelnde Ideen für eine Transformation auf einander treffen. Aber auch wenn wir Gebäude umnutzen, umbauen oder erweitern möchten, sind sie wegen der Gesetze, der Ansprüche und der Normen plötzlich nichts mehr wert. Warum akzeptieren wir nicht die Qualität und den Wert des Bestehenden und gehen mit Respekt und Resonanz mit Material und Detail, individuellen Räumen und Atmosphären um?
Fazit: Bestehende Bausubstanz soll mit Wertschätzungsanalysen auf ihre Talente untersucht werden und nicht nur in Bezug auf Schwächen und Fehler? (Wertschätzung und Ertüchtigung von Bestandsbauten)
3. Wenn wir mit dem Bestehenden arbeiten, auch wenn es nur vorhandene Bauteile sind, ist der Gestaltungprozess und damit auch die Ästhetik, durch die Verfügbarkeit von Materialien bestimmt. Dieses Prinzip folgt dem Gedanken: Form follows availability – die Gestaltung folgt der Verfügbarkeit. Dieser Vorgehensweise reduziert den Verbrauch von Ressourcen konsequent und ermöglicht eine wirkliche CO2-Senke. Die sichtbar andere Ästhetik, die unsere Sinneseindrücke anregt, kann eine Quelle für Erkenntnisse sein. Wir können verstehen, dass sich etwas geändert hat und nachvollziehen, was im Raum, in der Stadt und in der Gesellschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung stattfindet. So kann Architektur beitragen, die Wahrnehmung für die Umwelt zu schärfen um bewusster mit ihr umzugehen.
Fazit: Bauen mit Bestand kann bis zu 60% CO2 einsparen, bereits wenn man nur die Konstruktive Strukturen, Wände, Decken und den Rohbau erhält.
4. Erkennen wir, dass das was lange selbstverständlich und richtig schien, nicht unbedingt weiterhin notwendig ist? Die Architekturbranche befindet sich in einem Paradigmenwechsel. Weiterhin weltweit Hochhäuser aus Beton, Stahl und Glas zu bauen, Um sie gleichzeitig nur mit größtem, technischen und energetischen Aufwand, für Betrieb und Klimatisierung überhaupt nutzbar zu machen, ist ein
Totalversagen der modernen Architektur gegenüber dem, was wir mit der gebauten Umwelt eigentlich hätten leisten sollen.
Fazit: Konventionelle Bauweisen erzeugen erhebliche Umweltschäden
5. Die gesamte Branche befindet sich derzeit an einem Wendepunkt aufgrund der massiven Herausforderungen, denen sie sich durch hohe Zinsen, Spekulative Grundstückspreise, restriktive Baugesetze, neue Dokumentations- und Compliance-Richtlinien und globale Lieferketten gegenübersieht. Die Herausforderungen sind enorm, aber ich glaube, dass diese Gründe nur die Spitze des Eisbergs sind – die wirklichen Herausforderungen sind kultureller Natur und viel schwieriger zu bewältigen und zu ändern. "Nachhaltiges Bauen" ist immer noch ein Oxymoron – der Widerspruch liegt im Wortpaar selbst:
Fazit: Bauen ist ein systemischer Fehler für die Umwelt. Wir wollen durch andere Vorgehens- und Bauweisen die Umweltschäden vermindern.
6. Die Chancen besser zu Bauen sind enorm, wenn wir die gesamte Wertschöpfungskette öffnen und jede Phase neu verhandeln – nicht nur aus technischer oder materieller Sicht –, sondern auch die Anreiz- und Förderungsstrukturen, die Vergabemodelle, den Versicherungsrahmen und die Anlagemodelle genau unter die Lupe nehmen. Von dort aus können wir dann Lösungen und Technologien hinzufügen, die uns zur Verfügung stehen, aber es ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen und die Planungsprozesse explizit einen nachhaltigen Übergang unterstützen.
Fazit: Bestehende Planungs- und Bauprozesse hinterfragen und verbessern.
7. Studien zeigen, dass, selbst wenn bis 2050 die Hälfte aller neuen Gebäude aus biogenen Materialien gebaut würden, eine Reduzierung des Neubaus um 80 % erforderlich wäre, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben. So bleibt uns der Betsand als Schlüssellösung, den wir qualifiziert renovieren, umgestalten oder weiterentwickeln können, damit wir die bestehenden architektonischen Qualitäten, kulturhistorischen Werte und ökologischen Systeme nicht zerstören, sondern im Gegenteil verstärken. Der Suffizienz-Ansatz ist zusätzlich zu Effizienz und Konsistenz erforderlich.
Fazit: Eine nachhaltige Zukunft ist nicht nur eine technologische Frage, sondern umfasst sowohl ästhetische als auch ethische Überlegungen
8. Bestandssanierung ist oft mühsam, aber wir können uns gegenseitig informieren, Wissen teilen, bestärken und Mut machen. Die Privilegierung von Bestand in Genehmigungsprozessen würde uns das Umbauen in Zeiten des Klimawandels ermöglichen und zudem Identität und soziales Miteinander in unseren Städten stärken. Bestandserhalt ermöglicht der Bevölkerung die Identifikation mit ihrem Umfeld, fördert eine solidarische Gesellschaft und unterstützt Integration und Bürgerbewusstsein. Wir können uns nicht mehr leisten, dass Erhalt und Reparatur Luxus ist. Steuerliche Erleichterung, wie...
Fazit: ...die Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 % für Umbauvorhaben, anstelle komplizierter Förderverfahren, könnten einen Bestandsumbauturbo' auslösen.
28. September 2025