Zeitgenössische Architektur in Bayern

Konfliktlinien

Klaus Neumann, realgrün landschaftsarchitekten, und Tilman Latz, Latz & Partner. Klaus Neumann, realgrün landschaftsarchitekten, und Tilman Latz, Latz & Partner.

Die Landeshauptstadt München rechnet mit einem Zuzug von rund 300.000 Neubürgern innerhalb der kommenden 20 Jahre. In der neuen Debattenreihe Zukunft Landschaftsarchitektur des bdla (Bund Deutscher Landschaftsarchitekten) geben Klaus Neumann von realgrün landschaftsarchitekten und Tilman Latz von Latz & Partner eine Einschätzung, ob und wie Nachverdichtung in einer Metropolregion wie München eigentlich funktionieren kann. Ein Auszug:

Kann man verkürzt sagen: die Realität schafft die Fakten?

Klaus Neumann: Ja. Nachverdichtung innerhalb der Stadt München ist unvermeidlich, aber nur eine sehr begrenzte Option, die die Anforderung des steigenden Wohnungsbedarfs nicht allein lösen wird. Sicher kann an einigen Orten noch innerstädtisch verdichtet werden – spannend wäre aber auch beispielsweise das Potential der Messestadt mit dem Landschaftspark zu untersuchen - oder auch endlich mal in den neuen Stadterweiterungen wie Freiham höher zu bauen. ... Wir müssen, um im bezahlbaren Wohnungsangebot wirklich einen Durchbruch zu erzielen, die Idee von neuen Stadt-Satelliten im Umfeld, in der „freien Landschaft" ernsthaft untersuchen und interdisziplinär planerisch entwickeln. Mit der Kenntnis der analysierten Schwächen von Trabantenstädten können sozial und ökologisch tragfähige neue Konzepte entwickelt werden. ...

Tilman Latz: ... Die Stadt München ist dabei ein gutes und gleichzeitig schwieriges, wenn nicht sogar schlechtes Beispiel. Denn einerseits kann man schon annehmen, dass München die Finanzen hätte, eine Nachverdichtung auf eigener Fläche konsequent, qualitativ hochwertig und vor allem nachhaltig voranzutreiben. Andererseits verhindert eine sehr traditionelle Vorstellung von Stadt und die Vorstellung, dass alles so bleiben soll, wie es ist, dass genau das passiert. Denn Nachverdichtung und damit eine höhere Bevölkerungsdichte verlangen eben nicht nur mehr Wohnungen, sondern auch ein leistungsfähigeres Infrastrukturnetz auf allen Ebenen – Ver- und Entsorgung, öffentliche Services, Energie, öffentliche Freiräume(!) und vor allem eine polyzentrische Entwicklung mit resilienten Mobilitätssystemen! ... Die nun stattfindende Nachverdichtung bietet denn auch die Chance, unser Zusammenleben neu zu denken, unsere Bedürfnisse mit den aktuellen Möglichkeiten abzugleichen und uns vielleicht die Stadträume zurückzuerobern, die insbesondere durch den Straßenverkehr (das „Blech") und unbenutzbare Restflächen (auch mal „begrünt") blockiert sind

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Gibt es Tabuflächen für Nachverdichtung?

Klaus Neumann: ... Wenn die Verdichtung auf Freiflächen zugreifen will, die zur Versorgung der Stadtbewohner mit Erholungsfunktionen notwendig sind, ist das, auch in der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen, ein Tabu. München hat, der Isar und dem Englischen Garten gedankt, ein sehr grünes Stadtimage. Im statistischen Vergleich deutscher Großstädte liegt München aber - was die absoluten Grünflächen anbelangt - weit hinter Berlin oder Stuttgart. ...

Tilman Latz: ... Wichtig erscheint es mir, dass die Stadt wieder Raum für wirklich große Parks vorsieht und die dafür notwendigen Flächen konsequent strategisch vorhält und entwickelt. Große Stadtparks sind nach meiner Erfahrung am Ende wichtiger und wirksamer für eine Stadt und seine Identität, als die meisten Pocketparks. ...

Sind Landschaftsarchitekten künftig nur noch Restflächenmanager oder –optimierer?

Tilman Latz: Wenn es auch uns Landschaftsarchitekten gelingt, die klassischen Kategorien Grün versus Straße und Natur gegen Künstlich aufzulösen, zugunsten integrativer Systeme – zum Beispiel, wenn Straßenräume von der Dominanz der Kfz-Systeme befreit und wieder Lebens- und Arbeitsräume des Alltags aller werden – dann wäre schon viel für eine Nachverdichtung erreicht. ... 

Klaus Neumann: Wenn sie sich nicht deutlicher in die städtebauliche Diskussion einmischen und die Freiflächen verteidigen, ja. Strategische Forderungen oder Visionen sind ja seit Grzimek leider Mangelware geworden...

Das gesamte Interview finden Sie hier.