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Bürgermeister findet Isarflussbad gut

Internationales Panel liefert Steilvorlagen, Münchner hüpfen demonstrativ in die Isar...

So macht Kommunalpolitik Spaß! Anlässlich des Europäischen Flussbadetages demonstrierten rund 140 Münchner letzten Sonntag bei strahlendem Sommerwetter in der Isar für die teilweise Aufhebung des Badeverbots im innerstädtischen Isarraum und die Einrichtung eines Isarflussbades. Zum Happening kamen auch die Münchner Grünen Vorsitzende Heidi Schiller und der Münchner FDP-Vorsitzende Andreas Keck.

Bereits am vergangenen Donnerstagabend, 9.7.2015, lieferten am Kulturstrand der urbanauten am Vater-Rhein-Brunnen vier internationale Experten in Sachen Flussbäder in begeisterten Kurzvorträgen die Steilvorlagen für die anschließende Diskussion mit Bürgermeister Josef Schmid und dem Vorsitzenden des Isarlust e.V. Benjamin David unter der Moderation von Isar-Autor Michael Ruhland.

Bürgermeister Josef Schmid zeigte sich begeistert von der Idee eines Isarflussbades und dem Ort, den der Isarlust e.V. dafür vorgeschlagen hat: zwischen den Patentämtern und dem Deutschen Museum im Osten und Westen und zwischen der Ludwigs- und der Corneliusbrücke im Norden und Süden – dort wo es keine Anwohner gibt und die Isar bisher aufgrund von Kaimauern und dichtem Unterholz nicht zugänglich ist.

Die Idee: An den innerstädtischen, bisher kaum betretbaren Ufern der Großen Isar sollen neue Bereiche in München entstehen, an denen Einwohner und Besucher die Schönheit und Erfrischung der Isar genießen können, etwas für Sport und Gesundheit tun und sich in lockerer Athmosphäre begegnen können. Zudem sollen auf diese Weise der Flaucher im Süden und der Eisbach im Englischen Garten im Norden entlastet werden. Dort haben sich zuletzt aufgrund der stark gestiegenen Münchner Bevölkerungszahl – 150.000 NeumünchnerInnen in 5 Jahren – Übernutzungserscheinungen und Nutzungskonflikte gezeigt. 

Da keine Filterung des Wassers nötig ist, anders als in den M-Bädern der Stadtwerke keine Wasserkosten anfallen und sich der bauliche Aufwand im Rahmen halten könnte, ist die Einrichtung eines Flussbades verhältnismässig preiswert zu bekommen. Bürgermeister Josef Schmid zeigte sich daher sehr offen für die Idee, den Eintritt zu solch einem Isarflussbad kostenfrei zu halten – wie in den auf dem Panel präsentierten Fluss- und Hafenbädern in New York, Berlin, Zürich und Kopenhagen – und für Planung und Umsetzung öffentliche Mittel einzusetzen.

Die internationalen Podiumsgäste Archie Lee Coates IV von +POOL New York, Patrick Müller, Chef der sechs Flussbäder in Zürich, Lars Hjorth Baerentzen, der zahlreiche Hafenbäder in Kopenhagen finanziert und gebaut hat und Tim Edler vom Flussbad Berlin e.V. appellierten an München, diese Chance wahr zu nehmen, da die Isar bereits eine hervorragende Wasserqualität – Badewasserqualität, oft sogar Trinkwasserqualität – habe.


Im Gespräch mit muenchenarchitektur.com verrieten die Experten:

worauf es bei einem Flussbad ankommt...

Patrick Müller, Chef der sechs Flussbäder in Zürich:
„Mein Erfolgsrezept für die Münchner: Wenn die Bevölkerung dahinter steht, kann die Idee eines Flussbades auch durch den politischen Prozess geschleust werden. In Zürich zum Beispiel 'gehören' die beliebten traditionellen Flussbäder aus dem 19. Jahrhundert in der Limmat der Bevölkerung. Man kann nichts verändern, ohne dass eine Debatte geführt wird. Daraus haben wir gelernt: Wenn der Druck aus der Bevölkerung groß genug ist, machen auch die Politiker mit. Ein anderer wichtiger Aspekt ist meiner Meinung nach die kulturelle Nutzung. In Zürich haben sich zum Beispiel das Flusskino etabliert oder Lesungen – Veranstaltungen, die nichts mit lauter Partymeile zu tun haben, sondern die das besondere, ruhige Ambiente am Fluss nutzen. Wenn man das schon von Anfang an mit einplanen kann, ergibt sich ein unheimlicher Mehrwert, da das Bad dann auch abends sinnvoll betrieben werden kann.“

Lars Hjorth Baerentzen, Danish Foundation for Culture and Sports Facilities:
„Aus Erfahrung kann ich vorwegnehmen: Ein Hafen- oder Flussbad wird immer gut besucht sein. Unser erstes Hafenbad in Kopenhagen wurde 2003 eröffnet, nachdem die Industrie aus dem Hafen verbannt und das Wasser gesäubert war. Es wurde ein Riesenerfolg. Allerdings war es als traditionelles Schwimmbad mit Pool und Kinderbecken angelegt und nur drei Monate im Sommer geöffnet. Heute planen wir die architektonischen Gegebenheiten für eine ganze Palette weiterer Aktivitäten mit ein, um noch mehr Menschen anzusprechen: Kanufahrer, Kitesurfer, Ruderer, Segler, Winterschwimmer – davon gibt es gerade in Kopenhagen eine ganze Menge. Außerdem sollte man die Anlagen mit dem Land verbinden und so planen, dass sie das ganze Jahr über betrieben werden können, also zum Beispiel mit einem Café oder Clubhaus als geselligem Treffpunkt. Mein Rat: Groß denken und das Projekt nicht nur als Bad, sondern als ganzjährige Sportfacility planen.“

... und wo die Herausforderungen liegen:

Archie Lee Coates IV, +POOL New York:
„Im Jahr 1873 hatte New York 14 schwimmende Badehäuser. Wegen der Wasserverschmutzung infolge der Industrialisierung wurden sie später geschlossen. Wir wollen die New Yorker nun der natürlichen Ressource 'Wasser' wieder näher bringen – mit einem schwimmenden Pool mitten im Fluss, wahrscheinlich im East River. Dazu mussten wir aber erstmal ein neuartiges Filtersystem für das nach wie vor verdreckte Flusswasser erfinden, das 2.3 Millionen Liter Wasserdurchlauf pro Tag leisten kann. Der härteste Part war aber die Finanzierung: Vier Jahre lang haben wir mit der Geldbeschaffung verbracht – alle fanden das Projekt faszinierend aber keiner glaubte, dass es wirklich funktionieren würde.“

Tim Edler, Flussbad Berlin e.V.:
„Bei uns ging es ursprünglich 1998 eigentlich gar nicht um ein Flussbad, sondern um die Intention, einem historischen, heute ungenutzten Kanal mitten in Berlin eine neue Funktion zukommen zu lassen. Es war also ursprünglich eine städtebauliche Fragestellung. Erst als wir 2011 mit der Idee eines neuen innerstädtischen Ortes mit Freischwimmbecken, Freitreppen und Holzsteg den Holcim Award gewannen, richtete sich die Aufmerksamkeit der Berliner – Einwohner und Politiker – auf das Projekt. Nachhaltigkeit, Mischung von Funktionen, Teilnahme am öffentlichen Raum waren alles Themen, die inzwischen im Trend lagen. Und plötzlich bekamen wir auch finanzielle Unterstützung. Jetzt können wir uns mit den technischen Herausforderungen wie Hochwasserabfuhr, Filterkapazität, Durchflussregulierung auseinandersetzen.“

Zur Diskussion kamen außerdem Vertreter des Münchner Stadtrates - u.a. die beiden sportpolitischen Sprecherinnen Kristina Frank (CSU) und Verena Dietl (SPD) - und Vertreter des Planungsreferats, des Umweltreferats, des Büros 2. BM und der Stadtwerke München M-Bäder. Nach dem positiven Stadtratsantrag der drei CSU-Stadträte Michael Kuffer, Kristina Frank und Sebastian Schall ist am Dienstag dieser Woche richtig Bewegung in die Sache gekommen.