Zeitgenössische Architektur in Bayern

Auf dem Boden der Tatsachen

Es ist die erste Ausstellung von Andres Lepik in den Räumlichkeiten der Pinakothek. Im Herbst vergangenen Jahres hatte er die Direktion des Architekturmuseums der TU München übernommen, kurz bevor diese für die Sanierungsarbeiten geschlossen wurden. Entsprechend groß war die Neugierde zur Eröffnung von Afritecture – Bauen mit der Gemeinschaft am 12. September.

Der Besucheransturm auf Afritecture – Bauen mit der Gemeinschaft und die zeitgleich eröffnende Ausstellung Marokkanische Teppiche und die Kunst der Moderne der Neuen Sammlung – The International Design Museum Munich war enorm: Die Gäste drängten sich über die Rotunde hinaus, bis zu den Treppenaufgängen der drei Stockwerke. Neben Andres Lepik sprachen Regine Keller, Vizepräsidentin der TU München und Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts.

Jeder trägt ein gewisses Bild von Afrika mit sich im Kopf, oft sind es negative Schlagzeilen die uns überschatten, auch was die Entwicklung und Umsetzung von sozialen und architektonischen Projekten etwa mit staatlicher oder privater Hilfe anbelangt. Dass es über den gesamten Kontinent verteilt jedoch viele gelungene und zukunftsweisende Projekte gibt, zeigen die beiden Kuratoren Andres Lepik und Anne Schmidt in AFRITECTURE – Bauen mit der Gemeinschaft auf.

Der Hinweis im Titel „Gemeinschaft" kommt nicht von ungefähr. Die Beziehungen sind oft undurchsichtig doch besteht eine ausgeprägte Bereitschaft zur Hilfe, die im Bereich des Bauens eine einzigartige 'Bauherren-Beteiligung' zu Tage treten lässt, die die zeitgenössische Architektur Afrikas prägt. Hinzu kommt die spannende Verbindung aus dem Einsatz moderner Technologien, lokaler Materialien und wieder auflebender traditioneller Bauverfahren. Während die Verwendung von lokalen Materialien wie Lehm oder Holz bei uns (wieder) als fortschrittlich bewertet wird, gelten selbige in vielen Bereichen Afrikas als Rückständig. Dieser Prozess des sich ändernden Architekturverständnis ist ein Kernthema der Ausstellung.

Es sind überwiegend sozial motivierte Projekte, wie Schulen, Kliniken oder kulturelle Einrichtungen, die gezeigt werden. In enger Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Johannesburg haben die Kuratoren 26 Projekte aus zehn Ländern Subsahara Afrikas wie Kenia, Nigeria, Burkina Faso und Südafrika ausgewählt. Es sind Bauten afrikanischer- und internationaler Architekten, die die globalen Zusammenhänge lokaler Architektur verdeutlichen. Darüber hinaus wird zudem die streng gesteuerte Entwicklung von Newtowns oder die Struktur informeller Siedlungen betrachtet – ein noch junges Forschungsgebiet, für dessen Erkundungen die rasant wachsenden Städte Afrikas einen spannenden Grund bilden.

Für die Ausstellungsgestaltung wurde die Stiftung FREIZEIT mit Rusmir Ramic beauftragt. Podeste aus Karton leiten den Besucher (man muss seine Schuhe ausziehen!) entlang einer Bande; Texte, Graphiken und Fotos wechseln von der horizontalen Darstellung auf dem Fußboden zur vertikalen entlang der Wand. Der Pappkarton gibt den Ton an und unterstreicht hierdurch (leider) das typische Afrika-Klischee. Es ist eine 'Mitmach-Ausstellung', die die Münchner in dieser Form aus dem Architekturmuseum bisher nicht kennen. Man wird wie in der Ikea-Werbung geduzt und darf mal hier einen Aufkleber kleben oder dort ein Statement schreiben. Die eigenen Meinung zählt und wird im Laufe der kommenden Wochen das Gesicht und den Inhalt der Ausstellung verändern.

Gespannt sein dürfen die Besucher auf das interessante Rahmenprogramm. Vorträge, Diskussionen und ein Symposium werden zentrale Fragestellungen zur Urbanisierung Afrikas, der Partizipation und architektonischen Identität thematisieren.


Kommentare zur Ausstellung:


Eine erfrischende Ausstellung, die interessante Projekte für Afrika zusammenträgt und als work in progress dokumentiert. Wir brauchen mehr von solchen Initiativen!

Dr. Sandra Hofmeister, Chefredaktion Deutsche Domus


Die Ausstellung "Afritecture" zeigt auf erfrischende Art und Weise Architektur in Augenhöhe – von Menschen für Menschen gebaut. Andres Lepik lenkt mit seiner ersten Ausstellung in München das Augenmerk auf eine Architektur, die sozial, engagiert und in vieler Hinsicht nachhaltig ist. Da zieht es einem die Schuhe aus!

Mikala Samsøe + Werner Frosch, Henning Larsen Architects