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Deutscher Pavillon Biennale Venedig – die Meinungen gehen auseinander

Ansichten zum Deutschen Pavillon – die Meinungen gehen auseinander.

Die Meisten Stimmen im Vorfeld waren kritisch. Die der Journalisten auf der Pressekonferenz („Wo bleibt da die Architektur“, „Was für ein hässliches Bild von Deutschland zeigt ihr?“) und die der vom BauNetz vorab um ein Statement gebetenen Architekturkritiker (Ursula Baus: „Verbarrikadiert hinter drei wohlfeilen Anglizismen, dürften sich die beiden diesjährigen Ausstatter des deutschen Pavillons (...) gewiss als tapfere Gutmenschen in die Offensive wagen – auch wenn man ihr Motto ,Reduce Reuse Recycle` nicht gerade geistreich finden muss.“ und Gerhard Matzig: „Es ist wie mit diesen kleinen, oft etwas verblichenen Hinweisschildchen in Hotelbädern, wonach man sich bitteschön entscheiden solle: Handtuch auf den Boden oder Hängenlassen. Der deutsche Beitrag ist ein solches Schildchen.“)

Beim Betrachten vor Ort wirkt die Ausstellung jedoch so stark, dass inhaltliche Zweifel in den Hintergrund treten.

Hier einige widersprüchliche Statements von Besuchern:

sehr deutsch
großzügig, nicht kleinkariert
zu wenig erklärt
unkompliziert
wenig visionär
entspannt
ästhetisch
erschliesst sich nicht auf den ersten Blick
beruhigend
Seiteneingang gut
Die Vermeidung von Architektur – der Deutsche Beitrag steht unter seinem eigenen Motto „Reduce“

Die drei Macher (Architekt Muck Petzet, (Ausstellungs-)Designer bzw. Chefdesigner, wie Minister Ramsauer immer zu sagen pflegte, Konstantin Grcic und Fotografin Erika Overmeer) haben ihre Arbeit unter einen Teil ihres eigenen Aufrufs gestellt und sehen von jeglicher Selbstdarstellung sehen ab: Petzet zeigt kein eigenes Gebäude, die Möbel sind natürlich keine Grcic-Entwürfe, sondern passabelli, Venedigs Aqua Alta-Stege; nur die Fotos zeugen von der Arbeitsqualität der Fotografin. Ja, sie nehmen sich zurück und natürlich ist dies konsequent und sehr sympathisch. Aber wehe dem, der denkt, die Ausstellung sei nicht „designt“: Die Anordnung und Größe der Fotos, der Stege, die kurzen Erläuterungstexte sind aufs genaueste überlegt und ausgetüftelt. Das führt zu einer imposanten Wirkung der fünf Räume innerhalb des Pavillons, wie man sie derart vereint bisher nicht gesehen hat. Und es führt zu einer guten, fast ein wenig feierlichen Atmosphäre.

Fraglich bleibt für mich, warum die Fotos die gelungenen Reuse-Beispiele gänzlich Menschenleer zeigen? Würde nicht die Darstellung von Bewohnern oder Nutzern die erfolgreiche Wiederverwendung eines Hauses betonen? Oder gar eine Vorher-Nachher-Variante der dargestellten Gebäude wäre denkbar. Aber vermutlich ist dies den drei Verantwortlichen viel zu plump. Auch hier gibt es, wie so häufig auch bei Architektur oder Innenarchitektur, das bekannte Dilemma von beeindruckend oder praktisch. Leichter rezipierbare Inhalte mit einer ausführlicheren Erklärung wären auf Kosten der Wirkung gegangen.

Es bedarf, wie wiederum Miroslav Šik, der Kommissar des Schweizer Pavillons betonte, des Studiums des Katalogs, um den Beitrag in Gänze zu verstehen. Die mangelnde Selbsterklärung ist für Laien, an die die Biennale sich nach Aussage David Chipperfields ausdrücklich auch wendet, besonders fatal. Ohne entsprechende Erläuterung werden sie sie richtige und wichtige Botschaft nicht verstehen und nur schwer nachvollziehen können, wieso auf einer Architekturausstellung die Vermeidung von Architektur propagiert wird...

Dass manchmal mehr auch mehr sein kann, zeigte sich bei der Bestuhlung zur Pressekonferenz am Dienstag morgen: Man hatte die Journalisten auf diesen simplen weißen Plastikstühlen Platz nehmen lassen. Diese jedoch vertrugen den glatten Boden nicht und waren vielleicht auch für italienische Körpergrößen ausgelegt. Zumindest gingen sie unter zwei stattlichen Herren krachend zu Bruch. Was zu der Schlagzeile „Cheap crash at the German opening“ auf der Titelseite des „Giornale dell' Architettura“ führte...

Sehr gelungen fand ich die Veranstaltung von Arch+, die den Schweizer und den Deutschen Kommissar gebeten hatten, ihre Arbeiten gegenseitig zu besprechen. Die Kritiken von Miroslav Šik können Sie hier im O-Ton als kurze Filme erleben. Sie geben ausserdem die Atmosphäre gut wieder, sind aber ohne Stativ aufgenommen. Sorry dafür...

Miroslav Šik kritisiert das Versetzen des Haupteingangs zum Dienstboteneingang

Miroslav Šik über den Deutschen Beitrag insgesamt 

Die Biennale insgesamt wächst jedes Jahr weiter. Teile des Arsenale, der wunderschönen historischen Werften Venedigs, wurden den Länderpavillons der Giardini zugeschlagen. Aber nicht nur auf den ausgewiesenen Geländen findet diese dreizehnte Biennale statt. Es scheint, als stünde die halbe Stadt für sie parat: An diversen Palazzi werben Fahnen und Großfotos für zusätzliche Länderpräsentationen (insgesamt stellen sich 41 Staaten vor) und -zig Sonderveranstaltungen. Hinzu kommen dutzendweise ergänzende Kunstausstellungen und Installationen im öffentlichen Raum, die mit verschiedensten gut gestalteten Programmheften beworben werden. Für einen normalen Menschen ist das zu viel. Es steht nicht die Kapazität zur Verfügung, um sich entsprechend auf das jeweilige Thema einzulassen, sich in teils hochpolitische Beiträge einzulesen und kleinteilige Modelle zu studieren.

Trotzdem lohnt sich ein Besuch in jedem Fall. Aber nehmen Sie sich Zeit...!!

Regine Geibel

Hier unser Interview mit Muck Petzet im Vorfeld