Zeitgenössische Architektur in Bayern

l'Orangerie d'aujourd'hui | Palais Mai in der Architekturgalerie

November 2011 | Unverhofft ist nicht unverdient: Als schmidt/hammer/lassen architects, die eigentlich für den November vorgesehen waren, ihre Ausstellung aus terminlichen Gründen absagen mussten, baten sie Nicola Borgmann, an ihrer Stelle „ein junges Münchner Büro zu zeigen, das es verdient hat.“ Ihre Wahl fiel auf Palais Mai.

Soweit die Vorgeschichte zur Ausstellung. Das 2005 gegründete Büro beschäftigt sich nicht nur mit Architektur im herkömmlichen Sinn, sondern auch von Anfang an mit Projekten, die bauliche Gestalt, räumliche Konzeption und stadträumliche Entwicklung thematisieren – oft in enger Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen: Gleich eine ihrer ersten Arbeiten war „Münjing“, eine Installation, die im Rahmen des Theater-/Stadtprojekts „Bunnyhill 2“ mit einem Hafen am Stachus durchspielte, wie es wäre, wenn München am Wasser läge.

Damit tragen die 2011 mit dem Förderpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichneten Architekten – Ina-Maria Schmidbauer, Peter Scheller und Patrick von Ridder – unter Nutzung der unterschiedlichsten Ebenen und Plattformen zur Diskussion über Stadtgestalt, Stadtentwicklung und Zukunftsvisionen bei: Diese Woche unter anderem im Vorhoelzer Forum der TU München.

Das wird auch in ihrer Ausstellung in der Architekturgalerie deutlich, die Palais Mai unter das Leitmotiv der Orangerie stellen – was überraschend gut zu dem zum Innenhof vollflächig verglasten Ausstellungsraum (er erinnert mit seinem abfallenden Dach tatsächlich entfernt an ein Gewächshaus) und zur Jahreszeit passt. In die Raummitte haben die Architekten ein weiß gestrichenes hölzernes Kellerregal gestellt, auf dessen drei Ebenen man zwischen wild wuchernden Topfpflanzen – eine Leihgabe der Münchner Stadtgärtnerei – insgesamt 14 Modelle von realisierten Bauten wie unrealisiert gebliebenen Projekten entdecken kann.

Dass es allesamt Arbeitsmodelle sind, ist Palais Mai dabei wichtig: Wie Peter Scheller sagt, müssen Raumentscheidungen am dreidimensionalen Modell getroffen werden, weshalb sie der Kraft der Bilder und der Macht des Computers sowohl bei ihrer Arbeit selbst wie auch bei der Darstellung von deren Ergebnissen ein gutes Stück weit misstrauen. Die Modelle selbst sehen zwar etwas rustikal aus, sind dafür aber hinter der Fassade komplett „durchkonstruiert“. Aber bei aller Skepsis – ganz auf Bilder verzichten auch Palais Mai nicht: An der Längswand ergänzen Grundrisse die Modelle, und dass Bilder, Texte und Graphiken zusammen einem Mehrwert ergeben, zeigt der speziell für die Ausstellung gestaltete iPad-Auftritt.

Soweit, so schön und so sehenswert. Schade dabei ist nur, dass die Landeshauptstadt München erst mit beträchtlichem Aufwand alle zwei Jahre ihre Förderpreise vergibt, und anschließend noch nicht einmal die Lokalpresse darüber berichtet. Das mag an der zwischen den beteiligten Referaten mühsam zu koordinierenden Öffentlichkeitsarbeit liegen, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Länder die Themen Architekturexport und Nachwuchsförderung offensiver angehen: Der Magistrat der Stadt Wien schickt mit großem Erfolg bereits die dritte Staffel seiner „Yo.V.A. Young Viennese Architects“ auf Tournee, und in Dänemark werben die Konsulate offensiv Gelder bei Unternehmen ein, um sie anschließend im jeweiligen Gastland zu pushen. Hier überlässt man das Thema Architekturexport dagegen weitgehend der Obersten Baubehörde.

Jochen Paul