Mai 2011 | Nachdem sie bis 28. April bereits in der Kunsthalle Kempten zu sehen war, macht die „LandLuft“-Wanderausstellung bis 14. Mai Station in Memmingen. Am 30. April eröffnete sie im Foyer des Landestheaters Schwaben. Ein Rückblick von Jochen Paul
„Wow, in welcher Hochburg der Baukultur bin ich hier gelandet“, musste ich beim ersten Anblick der Ausstellungstafeln mit Statements wie „beim ersten Schritt muss man mutig und visionär sein“,„Architektur ist keine Geschmackssache“, „man muss Traditionelles fachgerecht erhalten und Neues neu entstehen lassen“ oder „wenn ich einen Architekten hole, dann muss ich den auch gestalten lassen“ unweigerlich denken. Dieser Eindruck relativierte sich dann allerdings beim näheren Hinsehen: Liest man das Kleingedruckte, stellt man fest, dass die Aussagen – und die vorgestellten Beispiele – allesamt nicht aus dem Allgäu, sondern aus dem benachbarten Österreich stammen.
Dort hat der „LandLuft Verein für Baukultur und Kommunikation in ländlichen Räumen“ vor zwei Jahren zu seinem zehnjährigen Bestehen gemeinsam mit dem österreichischen Gemeindebund den „Baukultur Gemeindepreis 2009“ ausgelobt und schickt die Preisträger seitdem in Form einer Wanderausstellung auf Tournee. Die zielt darauf ab, den kommunalen Entscheidungsträgern anhand positiver Beispiele möglichst „niederschwellig“ zu vermitteln, dass Bauen alleine zwar noch keine Baukultur macht, dass aber jedes ohnehin notwendige Bauvorhaben Baukultur hervorbringen kann – vorausgesetzt, man nutzt die sich dabei ergebenden Gelegenheiten intelligent: Jede Bauaufgabe, die sich nicht mit der bloßen Erfüllung des geforderten Raumprogramms zufrieden gibt, erbringt einen kulturellen und sozialen Mehrwert für die investierten (Steuer-)gelder.
Wie Kurator und „LandLuft“-Vorstand Thomas Moser aus Linz bei seiner Führung durch die Ausstellung mehrmals betonte, steht beim Baukultur-Preis die Architektur nicht an erster Stelle: Sie, so Moser, entsteht durch gelebte Baukultur als erwünschte Begleiterscheinung quasi von selbst – „entscheidend sind der Planungsprozess und die handelnden Personen: Menschen wie du und ich“, die im Idealfall zu Vorbildern für andere engagierte Bürger werden. Auch im ländlichen Raum ist Bauen heute vielfach (vorläufiger) Endpunkt eines Umbau- oder Erneuerungsprozesses – und im Idealfall der Garant für sozial, ökonomisch, ökologisch und gestalterisch funktionierende Räume, regionale Wertschöpfung und ein Plus an Lebensqualität und der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt.
Dafür braucht es allerdings Raum und Zeit für Diskussions- und Planungsprozesse, Standhaftigkeit gegenüber vordergründiger Kritik und einen langen Atem: Als der Bürgermeister der Gemeinde Zwischenwasser (Vorarlberg), Josef Mathis, bei Amtsantritt 1980 gegen den Wachstumstrend der Zeit den zwei Jahre zuvor verabschiedeten Flächenwidmungsplan änderte, hagelte es zunächst Proteste. Von heute aus betrachtet blieben der Gemeinde dadurch nicht nur eine dramatische Zersiedelung erspart, sondern auch Erschließungs- und Unterhaltskosten, die sie langfristig überfordert hätten.
Insofern ist „LandLuft Allgäu“ eine Blaupause dafür, wie es nicht nur in Österreich, sondern auch hier sein könnte, würden die kommunalen Entscheider die Thesen, Prozesse und Methoden aufgreifen. Eine solide Basis dafür ist vorhanden: Auch wenn das Allgäu noch nicht überall eine Hochburg der Baukultur ist, erzeugte in Memmingen die im Oktober letzten Jahres nach Plänen von trint + kreuder d.n.a. abgeschlossene Umgestaltung des Schrannenplatzes bereits Entwicklungsdruck auf ein Nachbarquartier, das die letzten 20 Jahre verfiel, und zusammen mit Kaufbeuren wurde die Stadt mit dem Ausloberpreis 2010 der Bayerischen Architektenkammer ausgezeichnet.
Jochen Paul