Zeitgenössische Architektur in Bayern

SHU SHU | Contemporary Japanese Design

März 2011 | Wer sich vergangenen Mittwoch aufgrund der aktuellen Ereignisse in Japan fragte, ob die Eröffnung überhaupt stattfinden würde, machte sich umsonst Gedanken: Äußerlich unbeeindruckt – für Japaner wahrscheinlich eine Frage der Haltung – eröffnete Satomi Suzuki im Beisein des Geschäftsführers von CityPartnerMünchen e.V., Wolfgang Fischer, und der aus Tokio angereisten Designer pünktlich um 19:00 Uhr ihren Concept Store in der Neuturmstraße. Ein Rückblick von Jochen Paul

Dessen Name bedeutet „Die Sammlung“: Ein sorgfältig ausgesuchtes Sortiment von besonderen Dingen aus Japan, deren Gemeinsamkeit darin besteht, traditionelles Handwerk mit zeitgenössischer Gestaltung, Langlebigkeit und Funktionalität zusammenzubringen. In kompromisslos hoher Qualität, versteht sich... Dabei reicht die Bandbreite von Bonsaischeren aus von Hand hochglanzpoliertem Kohlenstoffstahl über Leuchten vom Schirmmacher des japanischen Kaiserhauses bis zu Möbeln, Kochgeräten, Geldbörsen, tools for men und Präzisionswerkzeugen.

Den Gedanken, einen Showroom in Innenstadtlage zu eröffnen, verfolgte Satomi Suzuki mit langem Atem: 2005 übernahm sie die Messebetreuung der Niigata Industrial Creation Organization (NICO), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die regionale Handwerkstradition der für ihre metallverarbeitenden Betriebe berühmten Niigata-Präfektur mit „zeitgenössischen“ Produkten fortzuführen. Als sie dann vor drei Jahren erfuhr, dass ihr Vormieter in der Neuturmstraße 2 sich ins Privatleben zurückziehen wollte, ließ Satomi Suzuki sich das Ladengeschäft reservieren und arbeitete seitdem am Konzept von SHU SHU, dessen Sortiment sie wie eine Kuratorin zusammenstellt hat.

Zur Eröffnung von SHU SHU am 16. März sprach muenchenarchitektur.com mit den Inhabern von In Design, Yasuyuki Ishii und Akihito Ikeuchi, und mit Satoshi Itasaka: Architekt, Designer und Inhaber von h220430.

Fotos: © Hannes Magerstaedt Photography, München

Jochen Paul: Seit wann gibt es In Design, wie kam es zur Gründung?

Akihito Ikeuchi Wir kannten uns aus dem Studium an der Kuwasaka Design School und hatten immer Kontakt zueinander, obwohl wir nach dem Diplom zunächst etwas anderes machten: Yasuyuki Ishii gestaltete als Produktdesigner Computerzubehör für ELECOM Co., ich Lautsprechersysteme für holon inc. Irgendwann hatte ich die Idee, Leuchten zu entwerfen, und 2003 gründeten wir unser Designbüro In Design.

Hatten Sie vorher bereits mit Licht zu tun?

Yasuyuki Ishii Nein, überhaupt nicht.

Woher kam Ihr Interesse für Licht und Leuchten?

A.I. In fast jedem japanischen Haushalt hängt über dem Esstisch eine Pendelleuchte. Mir gefiel seit jeher das Leuchtmittel: eine ringförmige Leuchtstoffröhre, und ich habe mich immer gefragt, wozu es den Lampenschirm eigentlich braucht. Das war die Grundidee für hoop, unsere erste gemeinsame Arbeit.

Haben Sie sich bei In Design auf Leuchten spezialisiert, oder entwerfen Sie auch noch andere Produkte?

Y.I. In den letzten Jahren waren Leuchten eindeutig der Schwerpunkt unserer Arbeit, aber das ändert sich gerade etwas: Aktuell arbeiten wir an Entwürfen für Ventilatoren und an Raumluftbefeuchtern.

Werden die ähnlich reduziert wie Ihre Leuchten ausfallen?


A.I. Unserer Meinung nach ist der erste Eindruck entscheidend: Wir möchten unsere Produkte deshalb so „sauber“, so auf das Wesentliche konzentriert und so wenig dekoriert wie möglich gestalten.

Was ist Ihre Designphilosophie?

Y.I.
Für uns ist es sehr wichtig, möglichst viel von der Kraft eines Entwurfs in der Produktion auch umzusetzen. Entscheidend dabei ist die Qualität des Prototypen. Unsere Leuchten können wir deshalb nur selbst komplett in Handarbeit fertigen – die Bearbeitung der Oberflächen ist für die Serienproduktion zu aufwändig.

Gibt es einen Unterschied zwischen japanischem und europäischem Design?


A.I. Ich kann nur für In Design sprechen: Unser Design steht in einer handwerklichen Tradition und ist bei aller Reduktion immer auch Poesie.

Satoshi Itasaka Das sehe ich ganz ähnlich.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?


S.I. Die Efeublätter, die Ivy Chair überwuchern, sollen dem Benutzer ein Stück Natur zurückgeben und ihn gleichzeitig zum Nachdenken darüber anregen, wie unsere moderne Zivilisation mit ihr umgeht. Insofern ist der Stuhl für mich auch eine Metapher für das unaufhaltsame Verschwinden der Natur aus den Metropolen des 21. Jahrhunderts.

Die Frage ist aktueller als jemals zuvor... Hatten Sie gar keine Angst davor, mit dem Entwurf in der Kitsch-Ecke zu landen? Ein europäischer Designer hätte sich das wahrscheinlich nicht getraut.

S.I.
Die Gefahr war mir natürlich bewußt, aber ich hoffe, sie dadurch vermieden zu haben, dass ich die Efeublätter nicht grün gefärbt, sondern weiß belassen habe – als fade out der Natur sozusagen. Und vielleicht bringt uns Fukushima ja auch dazu, über unseren Energie- und Ressourcenverbrauch nicht nur nachzudenken, sondern unser Verhalten zu ändern und ihn auch konkret zu reduzieren: Mit der nächtlichen Beleuchtung der Ginza ist es jedenfalls vorbei, und die Tokioter entdecken gerade, dass ihre Stadt auch ohne Neonlichter schön ist. Lieber wäre es mir aber schon, wenn das Umdenken auch ohne eine solche Katastrophe, wie wir sie gerade erleben, einsetzen würde.

Vielen Dank für das Gespräch.