Zeitgenössische Architektur in Bayern

Tempelhof | Maximilian Meisse

Berlin in München: Zur Vernissage des Berliner Fotografen war die HENN GALERIE prall gefüllt. Wer zu spät kam, musste bis zum Ende der einführenden Worte des Chefredakteurs von PHOTO International, Hans-Eberhard Hess, vor der Tür warten, konnte durch die Glasfassade zur Augustenstraße aber wenigstens schon einmal einen Blick auf die Arbeiten erhaschen.

Die sind nach der endgültigen Schließung des bis dahin dienstältesten Passagierflughafen der Welt am 31. Oktober 2008 - als letzte reguläre Verbindung startete Cirrus Airlines nach Mannheim - erstmals in einer Ausstellung zu sehen. Die zwischen 2006 und 2008 entstandenen großformatigen Farbaufnahmen zeigen den Bau von Ernst Sagebiel im schleichenden Übergang vom Flugbetrieb zur Stilllegung. Wie bei seinen übrigen Berlin-Ansichten bevorzugt Maximilian Meisse auch bei Tempelhof „unprominente“ Blickwinkel: Die (zu) nahe liegende Axialsymmetrie sucht man vergebens, nur selten wählt der studierte Architekt, der sich selbst als „Sammler von Orten“ bezeichnet, die Zentralperspektive. Meist dominiert ein aus der Bildmitte verrückter Standpunkt.

Seine serielle Monumentalität büßt das seinerzeit flächenmäßig größte Gebäude der Welt dadurch natürlich nicht ein: Meisse gelingt es aber, ihr entgegenzuwirken, indem er unerwartete Details wie Abluftrohre an der „landseitigen“ Fassade des Gebäudes oder fehlende Stellen im Intarsienparkett des Eichensaals mit aufnimmt. Beeindruckend auch die beiden Treppenhäuser im Rohbau, die belegen, dass Tempelhof nie fertig gebaut wurde - auch von der US Army nicht, die dort im Bankettsaal über der großen Abflughalle und ein Offiziershotel einrichtete. Am frappantesten aber ist der Kontrast von muschelkalkverkleideter Einschüchterungsarchitektur zur Stadt und kompromissloser Moderne auf dem Flugfeld: Die stählerne Dachkonstruktion des 1.200 Meter langen Flugsteigs hätte auch von Konrad Wachsmann sein können.

Was auch nach der Ausstellung bleibt, ist ein Flughafengebäude auf der Suche nach einer neuen Aufgabe - Messen wie die „Bread & Butter“ oder die Möbelmesse „Qubique “ (erstmals vom 26. bis 29. Oktober) nutzen nur Bruchteile der Flächen - und ein wunderschöner Fotoband: Ernst Wasmuth Verlag Tübingen Berlin, 2008, ISBN 978 3 8030 0697 4.

Jochen Paul