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Für Senioren wird nichts getan

Die Vorsitzende des Fördervereins „Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter", spricht über alternative Wohnmodelle, die Hürden bei ihrer Arbeit und eine notwendige Bewusstseinsbildung.

Frau Dr. Lippmann, Sie hatten mit Ihrem Förderverein „Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter" am 10. März einen Stand beim 11. Münchner Wohnprojektetag im Gasteig. Was unterscheidet Ihr Modell von betreutem Wohnen oder einem Altersheim?

Beim betreuten Wohnen bezahlt man für eine bereitgestellte Leistung, die man noch nicht bekommen hat bzw. bei Inanspruchnahme noch extra begleichen muss. In einem Altersheim wird einem alles abgenommen wie Essen kochen, Wäsche waschen, Putzen etc., was unselbstständig macht und vorhandene Fähigkeiten verkümmern lässt. Stark zugenommen hat in München die Zahl der neuen Baugenossenschaften und Baugruppen. Wer sich bei ihnen einbringen möchte, braucht wegen der hohen Grundstückspreise stolze Summen, die nur ein Besserverdiener oder jemand aus der Erbengeneration aufbringen kann.

An welche Zielgruppe richten Sie sich?

An ältere, allein lebende Frauen, die mit einer kleinen Rente zurechtkommen müssen. In unseren Projekten leben jeweils acht bis zehn von ihnen in nah beieinander liegenden, geförderten Mietwohnungen in Mehrparteienhäusern in München, aber trotzdem in einer Gemeinschaft, in der sich alle kennen und gegenseitig unterstützen. Im Lauf von 25 Jahren konnten wir drei solcher Projekte in Pasing, am Ackermannbogen und in Gern realisieren, was mit zahllosen Bitt-Briefen, Gesprächen und Anträgen verbunden war. Das vierte ist eine klassische Wohngemeinschaft in einem Einfamilienhaus in der Fasanerie, für die wir aktuell noch eine dritte Dame suchen. Die sorgenden Wohngruppen mit abgeschlossenen Wohnungen und einem Gemeinschaftsraum sind beliebter als eine klassische Wohngemeinschaft.

Warum richten Sie sich ausschließlich an Frauen?

Weil sie im Alter meist weniger Geld haben als Männer, es gewohnt sind, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und gerne unter sich bleiben möchten.

Wie groß ist das Interesse an Ihrem Verein?

Wir haben momentan 74 Mitglieder, von denen 15 bis 18 auf eine geförderte Wohnung hoffen; von diesen müsste die Landeshauptstadt mehr anbieten können. Uns geht es aber nicht nur um eine bezahlbare Unterkunft, sondern auch um Bewusstseinsbildung. Bei regelmäßigen Treffen können sich die Frauen kennenlernen und herausfinden, ob sie zu uns und einer bestimmten Gruppe passen. Insgesamt gibt es mehr Bedarf und Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen im Alter, weil der Gedanke daran im Gegensatz zu unseren Anfängen viel weiter verbreitet ist. Das wissen wir sowohl aus eigenen Erfahrungen als auch durch den Austausch mit ähnlichen Initiativen aus dem ganzen Bundesgebiet. Interessenten sollten sich aber rechtzeitig umschauen. Mit 80 ist man zu alt, um sich auf eine andere Wohnform und mehr Miteinander einzulassen.

Haben Sie Aussicht auf weitere Projekte?

Mittlerweile bekommen wir für den Verein Regelförderung für Bürokosten, Werbung und zwei Minijob-Stellen. Wir haben auf vielen Ebenen gute Kontakte und klopfen an, sobald wir etwas von passenden Neubauplänen hören. Aber auf dem traurigen Münchner Markt haben es alle schwer. Neue Baugenossenschaften werden zwar politisch stärker berücksichtigt und finanziell gefördert. Für Senioren wird allerdings nichts getan – außer der Gewährung von Grundsicherung und Wohngeld, wenn jemand darauf Anspruch hat. In jedem Neubauprojekt müsste es mindestens eine selbstverwaltete Seniorenwohngruppe geben. Denken wir nur an die demografische Entwicklung. Die Frage lautet, warum die Alten nicht auf der Matte stehen und demonstrieren für eine Verbesserung ihrer Wohnsituation? Dieses Verhalten hat ihre Generation nicht eingeübt. Statt zu klagen verkriechen sie sich zuhause und versuchen, irgendwie zurechtzukommen.