Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Regionales
  3. München
  4. Wohnungsmarkt: Wenn der Chef auch der Vermieter ist

München Wohnungsmarkt

Wenn der Chef auch der Vermieter ist

Die Siemenssiedlung in München Obersendling gilt bis heute als vorbildlich. In Zeiten der Wohnungsnot kommen Werkswohnungen in München wieder in Mode Die Siemenssiedlung in München Obersendling gilt bis heute als vorbildlich. In Zeiten der Wohnungsnot kommen Werkswohnungen in München wieder in Mode
Die Siemenssiedlung in München Obersendling gilt bis heute als vorbildlich. In Zeiten der Wohnungsnot kommen Werkswohnungen in München wieder in Mode
Quelle: Hans-Rudolf Schulz/Hans-Rudolf Schulz
Können firmeneigene Wohnungen die Mietmisere in den Großstädten lindern? Die Stadtwerke München beleben das Auslaufmodell Werkswohnung mit neuem Leben. Es ist auch für Unternehmen von Vorteil.

Eigentlich galten Werkswohnungen in Deutschland jahrelang als Auslaufmodell. Wir sind kein Wohnbauunternehmen – mit diesem Argument trennten sich große Unternehmen und öffentliche Institutionen Stück für Stück von ihren Wohnimmobilien. Zu gering erschien ihnen die Rendite, zu groß der Verwaltungsaufwand. Ein Trend, den Experten im Rahmen einer Studie für die HSH Nordbank bestätigten. Zuletzt sank die Zahl von Werkswohnungen in Deutschland auf 340.000.

Doch es gibt, vor allem in den Ballungsräumen mit ihren hohen Mieten, erste Zeichen einer Umkehr. So wollen beispielsweise die Stadtwerke München bis 2020 mit 80 Millionen Euro den Bau von 500 neuen Werkswohnungen finanzieren. Eigene Immobilien sollen den Stadtwerken helfen, Fachkräfte nach München zu locken, denn bislang gestaltete sich dies aufgrund des dort herrschenden Wohnungsmangels und der hohen Mieten als äußerst schwierig.

Für das Anwerben von Fachkräften könnten betriebseigene und günstige Wohnungen zukünftig ein echter Vorteil werden. Viele Unternehmen hatten sich erst in den vergangen Jahren von ihren nicht mehr als zeitgemäß empfundenen Werkswohnungen getrennt und stehen somit einer Neuaufnahme der Investitionstätigkeit skeptisch gegenüber, aber der zunehmende Bedarf an Fachkräften im wirtschaftlichen Wachstumsgebiet München könnte die Konzerne zum Umdenken bewegen, glaubt der Münchner Wirtschaftsreferent Dieter Reiter (SPD). Auch die Vorreiterrolle der Stadtwerke könnte andere Unternehmen dazu motivieren, ebenfalls wieder verstärkt in Wohnungen für die eigenen Mitarbeiter zu investieren.

Das Interesse ist begrenzt

Reiter hatte bereits vor über einem Jahr die Initiative zum Bau von Werkswohnungen vorangetrieben und die in der Stadt ansässigen Unternehmen aufgefordert, künftig wieder in den Bau von Wohnungen für die Mitarbeiter zu investieren. Wenn ernsthaftes Interesse bestünde, sei die Stadt im Gegenzug bereit, Grundstücke freizugeben, auf denen bislang gar kein Baurecht bestand.

Die dort entstehenden Wohnungen sollen den Bedürfnissen der Menschen angepasst werden und reichen daher von kleineren Ein-Zimmer-Wohnungen für Alleinstehende bis hin zu geräumigen Fünf-Zimmer-Wohnungen für Familien. Aber noch hält sich das Interesse von mitarbeiterstarken Unternehmen in Grenzen: „Den Bau von neuen Werkswohnungen zur Anwerbung oder Bindung von Arbeitskräften aufgrund der angespannten Wohnungssituation beobachte ich zur Zeit nicht“, bestätigt Peter Axmann, Leiter Großkunden bei der HSH Nordbank.

Zwar unterstützen zahlreiche Unternehmen neue Auszubildende und Mitarbeiter bei der Wohnungssuche, aber über eigene Werkswohnungen verfügen selbst große Unternehmen nur noch selten. Dazu gehört beispielsweise die Sparkasse Nürnberg mit einigen eigenen Immobilien, zumeist kleineren Ein- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen, die bevorzugt an Mitarbeiter vermietet werden.

Personalbetreuerin Claudia Sigl erklärt: „Sind hier gerade Wohnungen frei, werden diese vorübergehend und zur Überbrückung bei der Wohnungssuche häufig Mitarbeitern angeboten, die gerade eingestellt wurden und neu in der Region sind.“

Auch bei den Unternehmen der Stadt Nürnberg, also Städtischen Werken, Verkehrsgesellschaft VAG und N-Ergie stehen noch einige Werkswohnungen zur Verfügung. „Ziel ist es, neuen Mitarbeitern den Start in Nürnberg zu erleichtern“, erklärt Sprecherin Melanie Söllch. „Die Mietdauer in den Werkswohnungen ist zunächst auf sechs Monate beschränkt. Bei den Mietern kann es sich um Praktikanten, Trainees, aber auch Fachkräfte handeln, die nicht originär aus Nürnberg stammen und sich erst nach einer Wohnung umsehen.“

Ein Dorf in der Stadt

Das war früher ganz anders. Als historisches Vorzeigebeispiel für Werkswohnungen gilt die Siedlung Werderau in Nürnberg, die von 1910 bis 1936 auf Initiative des MAN-Generaldirektors Anton von Rieppel errichtet wurde. Im Gegensatz zu den Mietskasernen der Vorstädte entstanden dort Ein- oder Mehrfamilienhäuser mit Gärten, die Möglichkeiten boten, die wenige Freizeit sinnvoll zu gestalten.

Anzeige

Jedes Einfamilienhaus bekam eine eigene Tür und einen Hausgarten, der Wohnungsstandard mit obligatorischem Bad und WC war fortschrittlich. Der Architekt Ludwig Ruf, der auch an den Planungen der Kongresshalle auf dem Reichsparteitagsgelände beteiligt war, entwarf hier einen Stadtteil im Grünen, eine Art Dorf in der Stadt. Kernstück des Viertels ist der Volckamerplatz, ein Baudenkmal des „Arbeiterbarock“ jener Zeit.

Rund um den Platz befinden sich – wie früher an einem Dorfplatz – die wichtigsten Geschäfte für den täglichen Bedarf wie Bäcker, Metzger und eine Apotheke. Das damals als künstlich kritisierte Viertel kann heute auf fast 100 Jahre Geschichte zurückblicken und ist bis heute ein begehrtes Wohnquartier. MAN hat sich freilich längst von den Werkswohnungen getrennt.

Auch Siemens hat seine Werkswohnungen bereits 2009 verkauft. Allerdings mit strengen Auflagen für den Schutz der Mieter. Den Zuschlag für die 4000 Wohnungen (2300 davon in Erlangen, 1100 in München, der Rest in Karlsruhe und Bruchsal) mit 290.000 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche erhielten die Wohnbau GmbH aus Bonn, die Münchner GBW Gruppe und die Volkswohnung AG aus Karlsruhe. Mieter sind noch immer zu mehr als 90 Prozent aktive oder ehemalige „Siemensianer“, zwei Drittel der Wohnungen waren beim Verkauf bereits komplett saniert.

Gleichzeitig eine stabile Vermögensanlage

An den Neubau von Werkswohnungen wollen sich Unternehmen heute kaum noch wagen – noch. Glück haben die Mitarbeiter von Firmen, die ohnehin in Wohnimmobilien investiert haben. Dazu gehört in München etwa die Stadtsparkasse (SSKM), die im Münchner Stadtgebiet über rund 1700 Wohnungen verfügt, die zu den Konditionen des Münchner Mietspiegels vermietet werden.

Auch Mitarbeiter können „von attraktiven Wohnungen zu fairen Preisen“, so Pressesprecherin Britta Klein, profitieren. Der Immobilienbestand der Stadtsparkasse wird gerade erweitert, 130 Millionen Euro sind dafür bereits abgerufen oder zur Verfügung gestellt worden. Dazu gehören acht neue Objekte mit über 226 Wohnungen, 33 Büroeinheiten, zehn Ladengeschäften, einer Gaststätte und einer Kindertagesstätte.

Sparkassen-Sprecherin Klein betont: „Mit den Investitionen möchten wir unsere Möglichkeiten nutzen, neuen Wohnraum für die Münchner zu schaffen. Gleichzeitig legen wir damit einen Teil unseres Betriebsvermögens sicher und wertstabil an.“

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema