Roboter auf dem Bau:Schichtwechsel

Jailbot

Dummy für Deckenbohrungen: Was für einen Menschen extrem anstrengend wäre, ist für diesen Roboter des Werkzeugstellers Hilti ein Leichtes. Er lässt sich über eine Fernbedienung steuern.

(Foto: Uli Reitz/Hilti)

Sie mauern, bohren, reinigen: Roboter könnten das Bauen revolutionieren und vor allem monotone und gefährliche Aufgaben übernehmen - wären da nicht ein paar Probleme.

Von Gabriela Beck

Hadrian sieht aus wie ein Autokran, aber er mauert wie ein Weltmeister. 200 extra große Blöcke aus Porenbeton oder Ton schafft der Star der australischen Firma FBR pro Stunde. Das entspricht 2200 manuell verlegten Standardziegeln. Gerade hat Hadrian die Wände einer ganzen Kindertagesstätte in Perth innerhalb von 57 Stunden hochgezogen. An solche Werte kommen selbst die besten Maurer nicht heran. Und der Bauroboter soll noch viel schneller werden: Ein Modell mit einer Verlege-Geschwindigkeit von 1000 Blöcken pro Stunde ist in der Entwicklung. Die korrekte Position der Ziegel liest Hadrian an eingespeicherten 3D-Bauplänen ab. Dabei schichtet er die Elemente nicht nur, sondern schneidet sie bei Bedarf auch in die benötigte Länge - ohne menschliches Zutun, aber mit höchster Präzision.

Die Automatisierung am Bau werde einen Boom erleben, sagt Sami Atiya. "Wer mit geschulten Augen über eine Baustelle geht, sieht das enorme Effizienzpotenzial." Der Robotik-Chef des global agierenden Technologie-Unternehmens ABB meint damit nicht nur die Zeit- und Kostenersparnis. Nach einer Umfrage des Konzerns rechnen 91 Prozent von 1900 befragten Bauunternehmen in Europa, den USA und China in den kommenden zehn Jahren mit einem Mangel an Fachkräften. Roboter könnten diese Lücke füllen. Vor allem repetitive, gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten könnten autonome, also selbstständig handelnde, Maschinen übernehmen. Abrissarbeiten etwa, bei denen Asbest freigesetzt wird, oder das Heben und den Transport von Zementsäcken.

Das Problem: Jede Baustelle ist anders und verändert sich noch dazu ständig

Dafür müssen sich die künstlichen Arbeiter jedoch auf der Baustelle frei bewegen und zurechtfinden. Für Roboter, die bislang meist in einer kontrollierten Fabrikumgebung in der Massenproduktion monoton die immer gleichen Arbeitsschritte ausführen, ist das eine Herausforderung. Denn jede Baustelle ist anders und verändert sich obendrein mit jedem Tag. Mal ist der Boden trocken, mal ist er nach einem Regenguss schlammig. Wo gestern noch Boden da war, klafft heute ein Loch für einen Schacht. Dazu gibt es immer wieder Abweichungen zwischen Planung und Baustellenrealität. Da genügt es schon, wenn eine Tür einen halben Meter versetzt eingebaut wurde, um den Roboter wortwörtlich gegen die Wand laufen zu lassen.

Doch Roboter werden immer schlauer. Sensoren, Scanner, Kameras und Bildverarbeitungsprogramme helfen ihnen, sich auch in wechselhafter Umgebung zurechtzufinden und neue, anspruchsvolle Aufgaben zu meistern.

Im Herbst 2020 präsentierte der Werkzeughersteller Hilti erstmals Jaibot, seinen semi-autonomen Baustellenroboter für Deckenbohrungen. Zwar muss er noch per Fernsteuerung über die Baustelle navigiert werden, doch vor Ort identifiziert der Roboter die Bohraufträge in seiner Reichweite, führt sie automatisch aus und markiert sie farblich für die verschiedenen Gewerke.

Gerade bei Überkopfarbeiten könnten Roboter helfen

Besonders die Handwerker im Bereich Heizung, Klima und Lüftung entlastet er damit bei sich wiederholenden, körperlich anstrengenden Arbeiten. "Wir haben uns angesehen, welche Routinearbeiten auf der Baustelle zu den belastendsten gehören, und das sind in erster Linie die Überkopfarbeiten", sagt Julia Zanona, Produktmanagerin für den Bereich Robotics bei Hilti. Um seine Aufgaben akkurat ausführen zu können, also die Löcher an den richtigen Stellen in der erforderlichen Größe und Tiefe zu bohren, greift Jaibot auf besondere Daten zurück.

Beim Building Information Modeling, kurz BIM, werden alle Daten eines Gebäudes - Werkpläne, zeitliche Abfolge der Arbeiten der verschiedenen Gewerke, Planänderungen, Informationen über Materialien, Wartungstermine - in eine digitale Datenbank eingespeist, vernetzt und ständig aktualisiert. Die Informationen betreffen vom Entwurf über den Bau bis zum Betrieb den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Alle Projektpartner können in der Cloud darauf zugreifen. Das heißt: Alle am Bau und Betrieb des Gebäudes Beteiligte haben jederzeit Einblick in alle Arbeitsschritte und Prozesse. Jeder ist jederzeit auf dem neuesten Stand - auch Jaibot.

Allerdings nützt dem Roboter dieses Wissen allein noch nichts, er muss es mit seinem Steuerungssystem verbinden, um autonom handeln zu können. Eine solche Software-Schnittstelle hat ein Forscherteam des Fraunhofer Italia Innovation Engineering Center in Bozen entwickelt. ROSBIM verbindet BIM mit dem "Robot Operating System", kurz ROS. Ziel der Forscher ist es, bereits digital vorliegende Gebäudedaten auf der Baustelle optimal zu nutzen. Zum Beispiel für den Transport schwerer Lasten wie Baumaterial oder Werkzeug mit einem autonomen, mobilen Roboter.

Husky A200 ist für raue Umgebungen konzipiert

In Bozen trainiert das Team mit der kommerziell erhältlichen Roboter-Trägerplattform Husky A200. Sie ist für raue Umgebungen konzipiert, rollt auf breiten Profilreifen und ist unter anderem mit Laser- und Neigungssensoren ausgestattet, die ihr helfen, in unwegsamem Gelände zu navigieren. Dennoch muss Husky noch ganz viel lernen.

"Ein Mensch kann intuitiv auf plötzliche Veränderungen in seiner Umgebung reagieren, der Roboter muss auf seine Sensor-Daten zurückgreifen", erklärt Michael Terzer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt ROSBIM. Als Beispiel nennt er ein Loch im Boden, das von vielen Umgebungs-Scan-Sensoren nicht erfasst werden könnte. In den Daten ist hinterlegt, dass das Loch, zum Beispiel ein Aufzugsschacht, an einem bestimmten Tag etwa für Wartungszwecke offen steht und umfahren werden muss. "Solche zeitabhängigen Daten, die ein Roboter mithilfe seiner Sensoren nicht erkennen kann, erhält er über die Schnittstelle", so Terzer.

Zusammen mit Kollegen des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart hat das Bozener Fraunhofer-Team Balto entwickelt, einen autonomen Desinfektionsroboter, benannt nach einem Schlittenhund, der vor hundert Jahren dringend benötigte Impfseren in ein schwer zugängliches Gebiet Alaskas brachte. Auch Balto ist mit ROSBIM ausgestattet und kann dadurch auf sein Umfeld reagieren. Um beispielsweise alle Türklinken in einem Krankenhaus gründlich zu desinfizieren, muss er wissen, wo und auf welcher Höhe sie sich befinden, aus welchem Material sie sind und wie oft sie benutzt werden. Diese Informationen kann der Roboter aus den Daten herauslesen und das optimale Desinfektionsmittel wählen.

"Man braucht Balto nicht mit Koordinaten zu füttern, sondern kann die Desinfektion einer ganzen Klasse von Objekten in Auftrag geben", sagt Günter Wenzel, Abteilungsleiter am Fraunhofer IAO. Statt dem Roboter also einzeln die Ortsangaben jeder zu desinfizierenden Türklinke nennen zu müssen, reicht ein genereller Auftrag wie: Alle stark genutzten Türklinken sollen mit einer Frequenz von X Minuten desinfiziert werden. Auch seine Desinfektionsroute plant Balto selbst. Denn aufgrund der übermittelten Daten weiß er, in welchem Raum zu welcher Zeit ein Meeting stattfindet.

Wer haftet eigentlich, wenn etwas schiefgeht?

Wichtig ist die Schnittstelle ROSBIM laut den Forschern aber auch bei der Mensch-Roboter-Interaktion. Begegnet Balto einer oder mehreren Personen, soll er ausweichen. Ist dies nicht möglich, bleibt er stehen. Schlecht wäre allerdings, wenn er ausgerechnet in einem Fluchtweg anhalten und diesen damit versperren würde. Da jedoch auch der Verlauf der Fluchtwege in den BIM-Daten verzeichnet ist, lassen sich solche Situationen vermeiden.

Dabei ist die Schnittstelle nicht nur einseitig, sondern in zwei Richtungen nutzbar. Der Roboter kann seinen Arbeitsfortschritt an das System rückmelden und Desinfektionsaufgaben mit weiteren Balto-Kollegen abstimmen.

Balto ist keineswegs auf sein aktuelles Aufgabengebiet beschränkt, sondern kann die Desinfektion auch mit einer Reinigung kombinieren und langfristig sogar Aufgaben im Bereich des Baustellen-Monitorings und der Gebäudewartung übernehmen. Vorerst werkelt der Prototyp aber nur im Technologiepark NOI in Bozen, überwacht vom Forschungsteam. Weitere Demonstratoren sind im Future Work Lab des Fraunhofer IAO und im Zentrum für Virtuelles Engineering im Einsatz.

Da stellt sich die Frage: Werden in absehbarer Zeit autonome Roboter den Arbeiter auf der Baustelle ersetzen, die Reinigungskraft oder den Wartungstechniker? "Nicht ersetzen, sondern unterstützen", sagt Michael Terzer. "Um die Technologie großflächig nutzen zu können, braucht es noch einiges an Weiterentwicklung und das wird dauern." Auch Aspekte der Haftung müssten zuerst geklärt werden. Es bleibt also spannend.

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