„Die Stadt muss ihr Gesicht bewahren“

Stadtbaurätin Elisabeth Merk über den Kampf Neu gegen Alt und die Frage, warum sie mitunter konservativer ist als Bayerns Generalkonservator Mathias Pfeil.
| Florian Zick
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Und hier ruft sie manchmal an: das Pschorrhaus in der Neuhauser Straße.
Daniel von Loeper 2 Und hier ruft sie manchmal an: das Pschorrhaus in der Neuhauser Straße.
Hätte Stadtbaurätin Elisabeth Merk gerne erhalten: die ehemalige Osram-Zentrale am Candidplatz.
dpa 2 Hätte Stadtbaurätin Elisabeth Merk gerne erhalten: die ehemalige Osram-Zentrale am Candidplatz.

München - Vor gut einem Monat hatte die AZ ein großes Interview mit Mathias Pfeil im Blatt. Auf drei Seiten hat der Generalkonservator da erläutert, was seiner Ansicht nach bei der Stadtplanung schiefläuft. So etwas kann Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) natürlich nicht kommentarlos auf sich sitzenlassen. Was ursprünglich als Debattenbeitrag geplant war, wuchs sich allerdings recht schnell zu einem Gespräch über grundsätzliche Gestaltungsfragen aus. Aber lesen Sie selbst.

AZ: Frau Merk, was unterscheidet Sie denn von Herrn Pfeil?

Elisabeth Merk: Anders als der Generalkonservator reden wir im Planungsreferat nicht nur theoretisch über den Denkmalschutz, sondern ganz praktisch – in Form von Baugenehmigungen oder Expertisen. Uns geht es natürlich auch darum, Denkmäler zu erhalten. Wir müssen aber auch schauen, dass wir die Stadt weiterdenken und ihr neue Bauten hinzufügen.

Das hört sich jetzt nicht an, als wären sie beide so weit auseinander.

Wir arbeiten mit Herrn Pfeil ja auch gut und gerne zusammen. Wir ziehen ganz oft am selben Strang. Es ist vielleicht unseren unterschiedlichen Aufgaben geschuldet, dass wir nicht immer zum selben Ergebnis kommen.

Können Sie dafür vielleicht ein Beispiel nennen?

Mir fällt da das Osram-Gebäude ein. Da standen wir in der Öffentlichkeit letztlich als diejenigen da, die sich nicht darum scheren, ob das wegkommt oder nicht. Stimmt aber nicht. Es lag ein denkmalrechtliches Gutachten vor, das das Gebäude als nicht schützenswert eingestuft hat. Deswegen blieb nichts anderes übrig, als da einen Abbruch zu genehmigen.

Sie hatten also keine Wahl?

Wir haben jenseits des Denkmalschutzes geschaut, ob wir nicht einen Grund finden, das Osram-Gebäude zu erhalten, etwa indem wir den städtebaulichen Nutzen für das Quartier dort am Candidplatz betonen. Aber da war nichts zu machen. In so einem Fall muss man den Weg freimachen, damit der Eigentümer mit seinem Gebäude wieder etwas anfangen kann.

Das klingt jetzt, als wären Sie konservativer als Herr Pfeil.

Ich versuche, vielleicht auch da noch was zu retten, wo eigentlich nichts mehr zu retten ist. Insofern: ja. Ich glaube, wir müssen mehr dafür werben, dass man sich mit Gebäuden auseinandersetzt, egal ob sie Einzeldenkmäler sind, Teil eines Ensembles oder einfach irgendwie nur interessant und wertvoll. Da geht es aber nicht um die reine Lehre der Denkmalpflege. Sondern?

Es geht grundsätzlich um das Erscheinungsbild einer Stadt. Ich habe beispielsweise sehr dafür gekämpft, die Fassade vom Donisl zu erhalten. Baukünstlerisch ist der nicht für denkmalschutzwürdig erachtet worden, man hätte ihn also abreißen können. An so wichtigen Orten wie dem Marienplatz muss die Stadt aber unbedingt ihr Gesicht bewahren. Da gibt es also kein Patentrezept, das für alle Teile der Stadt gleichermaßen gelten würde.

Wo darf denn dann überhaupt etwas Neues hin?

Das ist eine schwierige Frage. Natürlich muss man auch was Neues zulassen. Aber wir haben da in München mehrere so Fälle wie den Donisl, wo man nicht einfach sagen kann: Das reißen wir jetzt weg. Die Schwanthalerhöhe zum Beispiel, diese ganzen doch recht großmaßstäblichen Bauten, die wir aus den 70er Jahren geerbt haben. Oder die Alte Akademie. Das ist ein wiederaufgebautes Ensemble aus mehreren Zeitschichten.

Bei der Alten Akademie wünscht sich Herr Pfeil ja etwas Münchnerisches.

Mir geht es da nicht um etwas Münchnerisches, sondern um einen sorgfältigen Umgang mit dem Bestand – mit den einzelnen Elementen des Dachs, mit der Fassade, den Arkaden, den Höfen. Ich denke, diese Höfe wären so etwas Münchnerisches, bei dem man sagt: Die darf man nicht zubauen. Da sind Herr Pfeil und ich sehr auf einer Linie. Schwierig wird es, wenn man entscheiden muss: Wo kann man inspiriert von dem Bestehenden neue Wege gehen und wo muss man eine sehr konservative Haltung einnehmen.

Wie ist es denn mit dem Kaufhof am Marienplatz? Da sagt Mathias Pfeil, das ist kein Einzeldenkmal – abreißen will er ihn aber auch nicht.

Da habe ich natürlich eine unpopuläre Meinung. Ich finde, der Kaufhof am Marienplatz ist ein ganz wichtiges Gebäude seiner Zeit. Ich finde deshalb, da müsste Herr Pfeil überlegen, ob er es nicht unter Denkmalschutz stellt.

Tatsächlich?

Ja, das ist schon so ein fragiler Bau, der ist sicherlich angeeckt, seitdem er da ist. Alt-OB Hans-Jochen Vogel hat ja auch gesagt: Das war wohl eine Bausünde. Aber jetzt ist er nun mal da. Jetzt haben wir da diesen Bau von Josef Wiedemann, der sehr interessant ist wegen seiner Proportionen und Maßstäbe, die sich auch sehr interessant in den Raum staffeln.

Eine eher akademische Sicht der Dinge.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Münchner, wenn sie in der Fußgängerzone unterwegs sind, den Kaufhof nicht mögen. Wahrscheinlich, weil sie sich an den Anblick gewöhnt haben. Naja, es gibt andere Fassaden im weiteren Verlauf der Kaufingerstraße, die sehr viel störender sind, weil sie komplett aufglasen und keine Bewegung in der Fassade haben. „Die haben einfach dreist die Fenster mit Plakaten zugeklebt“

An welches Gebäude denken Sie da?

Da gibt es mehrere. Der Kaufhof jedenfalls hat da eine ganz interessante Strategie – mit diesen Flächen und Erkern. Das Gebäude hat sich sichtbar bemüht, den Duktus der Altstadt zu interpretieren. Wenn man sich etwa die Fassaden vom Augustiner oder vom Oberpollinger anschaut: Die sind schon auch mächtig, die ragen auch schwer und wuchtig in den Raum. Wenn man das in so einer Logik sieht, ist der Kaufhof am Marienplatz schon irgendwie eine Interpretation dieser Formensprache gewesen.

Und Glasfassaden sind das nicht?

Naja, das Pschorr-Haus ist da schon so einen Weg gegangen. Ich halte die Gestaltung im Wesentlichen auch für geglückt. Das ist ein neues, attraktives Haus, wird aber dadurch verschandelt, dass diese filigranen Glasbauten flächendeckend mit Werbung belegt werden. Jedes Mal, wenn ich vorbeigehe, rufe ich danach dort an und erinnere daran, dass wir im Obergeschoss Vitrinen wollten und keine zugeklebten Fenster.

Sie rufen wirklich da an?

Ja, ich bin jedes Mal entsetzt. An so einer Stelle, gegenüber der Michaelskirche, wo wir lange auf den Wert von Filigranität und Transparenz hingewiesen haben, kleben die einfach dreist die Fenster mit Plakaten zu ...

... und zeigt so ein Anruf dann Wirkung?

Ja, schon. Zumindest eine Zeit lang. Aber man muss schon immer wieder unterwegs sein.

Beim neuen Königshof wird es solche Probleme wohl nicht geben – der besteht mehr aus Stein.

Ja, diese Steinarchitektur von Nieto Sobejano ist für mich schon ein Bekenntnis zur Materialität der Altstadt.

Den Königshof finden Sie also hübsch.

Ja, ich finde, dass das ein sehr guter Entwurf ist, der auch Bestand haben wird.

Der Generalkonservator empfindet ihn als zu wuchtig.

Ich glaube, von der Perspektive aus, die man als Fußgänger hat, wird man dieses Gebäude ganz selbstverständlich als interessante Platzkante sehen.

Herr Pfeil sagt, das Gebäude spiele sich zu sehr auf.

Naja, der Justizpalast daneben ist ja schon auch monumental. Und wenn man sich von der Fußgängerzone aus dem Karlstor nähert, dann überlagern sich diese Bilder – Königshof und Karlstor. Und so etwas mag man ja eigentlich. Wenn man durch Gassen geht und es schiebt sich etwas davor, da sagt man auch nicht: Um Gottes Willen, jetzt ist meine Sichtachse verstellt. Solche Überlagerungen im Stadtraum sind für unser Auge eigentlich etwas Interessantes.

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