Ostbahnhof oder Laim :Impuls fürs Profil

Kultfabrik in München, 2011

Aus dem einstigen Partygelände hinter dem Ostbahnhof entsteht nun das Werksviertel mit einer vielfältigen Nutzungsmischung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für die Quartiersentwicklung wäre ein Konzertsaal an beiden Standorten ein großer Gewinn

Von Alfred Dürr

Birketweg heißt das Sträßchen mitten im Gewerbegebiet, das sich entlang der Bahngleise erstreckte. Allenfalls die Besucher des Musikclubs Backstage waren vertraut mit dieser Adresse in der Nähe der Friedenheimer Brücke. Dann fuhren die Baumaschinen auf. Alles veränderte sich, das Wohn- und Büroquartier namens Birketweg entstand. Das Backstage gibt es immer noch, aber der Club hat neue Nachbarn. Das Viertel trägt inzwischen den wohlklingenden Namen Am Hirschgarten. Das Areal, das sich von der Donnersbergerbrücke bis zum westlichen Ende des Hirschgartens erstreckt, ist der größte Umstrukturierungsbereich innerhalb der sogenannten zentralen Bahn- und Postflächen zwischen Hauptbahnhof und Pasing. Aus der gewerblichen Ödnis sollte sich nach den Vorstellungen der Planer innerstädtisches Wohnen im Grünen mit Büros und Läden entwickeln.

Kein Zweifel, das neue Quartier lebt, es gibt durchaus interessante Architektur, aber das herausragende städtebauliche Profil fehlt. Rund um den Birketweg war ursprünglich ein Hochhaus-Ensemble geplant, das dem Viertel neben der außergewöhnlichen Paketposthalle seine ganz eigene bauliche Identität hätte verleihen können. Weil Sichtachsen, etwa vom Nymphenburger Schlossrondell aus, durch die Türme beeinträchtigt werden könnten, bekämpften Hochhaus-Gegner vehement das Projekt. Eine Mehrheit im Stadtrat knickte ein, die Chance für eine städtebauliche Dominante war vertan.

Mit einer neuen Nutzung der Posthalle eröffnen sich Möglichkeiten, die gesamte Neubaustruktur an der Bahnachse aufzuwerten. Auffällige Bauten wie etwa der Zentrale Busbahnhof, einige Bürokomplexe oder die Freiheiz-Halle im Arnulfpark sowie die neuen Wohntürme am Hirschgarten setzen architektonische Akzente. Musikkultur in der Posthalle wäre ein wichtiger Impuls speziell auch für die Entwicklung des Münchner Westens.

Nun überrascht aber auch Werner Eckart, dem ein Großteil der Flächen auf dem ehemaligen Kunstpark-Ost-Areal gehört, mit seinem Vorschlag für einen Konzertsaal-Bau in dem Umstrukturierungsgebiet hinter dem Ostbahnhof. Wie bei den zentralen Bahnflächen handelt es sich beim neuen Werksviertel um den Wandel eines Industrieareals zum modernen Stadtquartier. Die Vision der Investoren ist ein möglichst lebendiges Viertel mit 1000 Wohnungen, Büros, Hotels, Geschäften, Kunst- und Freizeitangeboten. Dazu soll es einen großen Park geben.

Auch das neue Werksviertel liegt verkehrsgünstig zur Innenstadt. Haupteigentümer des Gebiets sind die Unternehmen Otec, Rohde und Schwarz, IVG, Deutsche Telekom, Optimol sowie die Stadt München. Die verschiedenen Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden, was bislang offensichtlich ohne große Verwerfungen geschieht. Ein besonderes städtebauliches Merkmal des Quartiers ist die Erhaltung bestehender Strukturen. Industrielle Fragmente wie zum Beispiel die ehemaligen Silos der Pfanni-Fabrik, das Werk 3 mit Ateliers, Ausstellungshalle und Lagerflächen werden zum Bestandteil der Neukonzeption. Dass hier ein Konzertsaal wichtige Impulse für die Entwicklung des Quartiers geben könnte, ist klar.

Dieses neue Quartiersprojekt hat ebenfalls seinen Namen im Lauf der Planungen geändert. Zunächst lief es unter dem Begriff "Rund um den Ostbahnhof", abgekürzt Rost. Werksviertel passte den Investoren dann wohl besser ins Konzept. Architekt Johannes Ernst, Geschäftsführer des Münchner Büros Steidle Architekten, will eine Art Masterplan für das Gebiet umsetzen. Beim Werksviertel, sagt er, habe man die Chance, vielleicht das zu machen, was in den Münchner Siedlungsentwicklungen der vergangenen 20 Jahre ein bisschen versäumt worden sei: ein Stück integrierte Stadt zu bauen, das Wohnen, Leben und Arbeiten auf dichtem Raum optimal verbinde. Alte Gebäude, neue Nutzungen und moderne Architektur - darum geht es ähnlich wie bei der Posthalle auch im Werksviertel. Und ein Konzertsaal wäre für die Entwicklung beider Quartiere bestimmt ein Gewinn.

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