Zeitgenössische Architektur in Bayern

Thermen und Tradition

Als in den 1920er Jahren immer mehr Wohnungen und Häuser eigene Badezimmer bekamen, trat der Hygieneaspekt in Schwimmbädern, die zuvor außer zur Erholung auch der Körperreinigung dienten, immer mehr in den Hintergrund. Dafür wurde die sportliche Ertüchtigung immer wichtiger. Angepasst an veränderte Bedürfnisse, entstand danach das Spaß- und eine Dekade später das Freizeit- oder Erlebnisbad als Mischform aus Sport- und Spaßbad. Dank Projekterfahrung mit über 250 Bäder- und Wellnessanlagen sowie dem Fachwissen aus mehr als 70 Studien hat sich die Kannewischer AG seit 1972 zu einem der wenigen Spezialisten in dieser Branche entwickelt. Zu den internationalen Kunden des Schweizer Unternehmens zählt auch die Stadt München:

1991 ließ die LH München die Kannewischer AG ein Gesamtbäderkonzept erarbeiten,
bei dem es um Stand und Entwicklung aller 16 öffentlichen Münchner Bäder ging – angefangen
bei der Ausrichtung (Familie, Sport, Freizeit oder Erholung) bis zu baulichen Massnahmen
wie Sanierung oder Neubau. In den Folgejahren plante die Kannewischer AG
dann die Technik für West-, Michaeli-, Ungerer- und Nordbad.

Ein weiteres Standbein des Familienunternehmens ist die Kannewischer Collection, zu der sechs ausgewählte Thermalbäder sowie ein Thermenhotel an fünf Standorten in Deutschland gehören. Jedes von ihnen besitzt seinen eigenen Charakter; allen gemeinsam ist das Motto „Eintauchen. Abschalten. Rundum wohlfühlen." Baden-Baden spielt dabei eine Sonderrolle: Am Fuß des Schlossbergs liegen hier zwei Kannewischer Anlagen nur wenige Schritte voneinander entfernt. Mit reich verzierten Säulen, Stuck, imposantem Foyer und einer Wandelhalle, die 1884 das erste Fitnessstudio Deutschlands beherbergte, wurde das palastartige Friedrichsbad bis 1877 im Stil der Neurenaissance erbaut und vereinte die modernsten Errungenschaften der damaligen Epoche.

Bezug zur römischen Badetradition nehmen auf der spiegelbildlich gleichen Herren- und Damenseite 17 Stationen, die Besucher in einer vorgegebenen Abfolge durchlaufen. Baderituale mit Thermalwasser und Seifenbürsten-Massagen wechseln sich ab mit Aufwärm-Phasen in Warm- und Heißlufträumen sowie Dampfbädern, die handbemalte Majolika-Kacheln zieren. Für Entspannung sorgen mehrere Badegänge in unterschiedlich temperierten Becken bis hin zum kreisrunden Hingucker im prachtvollen Kuppelsaal. Stille herrscht im Ruheraum, das Wiederankommen im Alltag erleichtert der lichte Lesesaal. Das Friedrichsbad darf nie ganz auskühlen, weil sich aufgrund des Temperaturabfalls die historischen Wandfliesen lösen würden...

Noch weiter zurück geht die Zeitreise in den Ruinen des 2.000 Jahre alten Soldatenbads unter dem Friedrichsbad. Stege und Treppen führen bei der Besichtigung vorbei an gut erhaltenen Mauern und hochentwickelten Heizungsanlagen, die von Kaiser Caracalla angelegt und 1847 zufällig entdeckt wurden.

Modernes Kontrastprogramm erwartet Besucher auf mehr als 4.000 Quadratmetern in der Caracalla Therme, die 1983 bis 1985 nach Plänen des Freiburger Architekten Hans-Dieter Hecker entstand. Für Anklänge an die Antike sorgen viel weißer Marmor, Säulen und eine hohe Kuppel, die die Innenbecken überspannt. Massagedüsen, Wasserfälle, Wasserpilze, Grotten, Whirlpools und ein Strömungskanal machen das Baden drinnen und draußen zum Erlebnis. Im ersten Stock liegt eine Saunalandschaft, zu der u.a. das „Spectaculum", das Aufgüsse mit Licht- und Soundeffekten aufwändig inszeniert, und der Blue Space Sinnesraum gehören, wo man auf sphärisch leuchtenden, sanft vibrierenden Liegen mit neuartiger Lautsprecher-Technologie ruht.

1994 übernahm die Kannewischer AG den Betrieb der Caracalla Therme und des Friedrichsbades, 2008 war Pachtbeginn der VitaSol Therme in Bad Salzuflen. Andere Anlagen eröffnete sie selbst: 2004 die KissSalis Therme in Bad Kissingen, 2005 die Spreewald Therme in Burg, 2012 die Emser Therme. Die beiden letzten planten 4a Architekten aus Stuttgart, die gerne typische Themen der jeweiligen Standorte aufgreifen. Da sie am Ufer der Lahn liegt, wurde in der Emser Therme die organische Form angeschwemmter Kiesel als durchgehendes gestalterisches Element gewählt. Bezüge zum Wasserlauf schafft auch die nach Süden orientierte, bodentiefe Glasfassade; wie an Bord eines Bootes fühlt man sich in der FlussSauna. Im Spreewald erinnern schräg stehende Säulen an Schilf und Bäume, die sich im Wind neigen. Mit Ziegelwänden oder Reet wurden gängige Materialien der Gegend integriert. „Eine ansprechende Architektur ist uns durchaus wichtig", so Dr. Stefan Kannewischer. „Es geht allerdings nicht darum, um jeden Preis innovativ zu sein und aus dem Rahmen zu fallen. Design total macht keinen Sinn, wenn sich die Besucher damit unwohl fühlen und die internen Abläufe erschwert werden. Vielmehr muss die Architektur auch eine gute Funktionalität sowohl für den Gast als auch für uns als Betreiber haben."