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Positive Visionen

v.l.n.r.: Lutz Heese, Martin Wenger, Frank Adloff, Sophie Wolfrum, Peter Cachola Schmal © Gabriela Beck v.l.n.r.: Lutz Heese, Martin Wenger, Frank Adloff, Sophie Wolfrum, Peter Cachola Schmal © Gabriela Beck

Während der Podiumsdiskussion 'Wie Zusammen Leben?' kam es zu unverhofften Denkanstößen...

Letzten Montag lud die Bayerische Architektenkammer zur Podiumsdiskussion „Wie Zusammen Leben?" zu sich ein. Vor dem Hintergrund wachsender sozialer Ungleichheiten, urbaner Konfliktpotentiale und den Herausforderungen einer steigenden kulturellen Vielfalt stellten sich die Panel-Teilnehmer der Frage, wie wir als Gesellschaft positive Visionen des Zusammenlebens entwickeln und umsetzen können. Peter Cachola Schmal, Direktor des DAM Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, moderierte den Abend.

Eine vielversprechende Einführung gab Prof. Frank Adloff, Institut für Soziologie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, mit seiner Vorstellung des ‚Convivialistischen Manifests', das Kapitalismuskritik mit Konzepten für eine Neudefinition von Reichtum und Wohlstand zu einer neuen Philosophie des Zusammenlebens verbindet. „Wir glauben, alle Probleme durch Wirtschaftswachstum lösen zu können. Das geht nicht. Wir müssen uns auf eine stagnierende oder gar rückläufige Wirtschaft einstellen." Zu den Forderungen der Manifest-Autoren gehören u. a. ein bedingungsloses Grundeinkommen sowie ein Maximaleinkommen.

Martin Wenger, Co-Präsidium Kraftwerk 1 der Bau- und Wohngenossenschaft Zürich, berichtete von seinen Erfahrungen mit acht Mitbewohnern und dem Konzept des Genossenschaftlichen Wohnungsbaus, das in Zürich seit den 90ern eine Renaissance erfährt.

Hintergrund: Baugenossenschaften werden auch in München zunehmend gefördert, mit der expliziten Unterstützung von Stadtbaurätin Prof. Elisabeth Merk. Ein Lösungsansatz, um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in München in den Griff zu bekommen?

Das sah Prof. Sophie Wolfrum, Ordinariat für Städtebau und Regionalplanung der TU München, eher skeptisch: Nicht jeder habe die Ressourcen und die nötige Sesshaftigkeit für ein Genossenschaftsmodell. Wenn es um bezahlbaren Wohnraum gehe, sei die Stadt mit paternalistischem sozialen Wohnungsbau gefragt. „Wir hatten 20 Jahre lang freie Marktwirtschaft in dem Bereich, auf diese Weise wird der Wohnungsbedarf nicht gedeckt." Der Wohnraumbedarf in München sei außerdem so extrem, dass schneller neuer Wohnraum geschaffen werden müsse, als es über Genossenschaften möglich sei.

Es folgte eine angeregte Podiumsdiskussion, die durch teilweise provokante Fragen von Moderator Peter Cachola Schmal gekonnt in Schwung gehalten wurde, sich aber hauptsächlich um die Wohnungsproblematik drehte, weniger um die angekündigten Visionen eines künftigen gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Drei interessante Denkanstöße konnte das Publikum immerhin mit nach Hause nehmen:

1. Es ist entscheidend, wo sich die Mittelschicht sieht. Solidarisiert sie sich mit der Ober- oder der Unterschicht? Diese Seite wird sie nämlich politisch unterstützen...

2. Man sollte Integrationsvorstellungen nicht überfrachten. Das Urbane lässt genug Raum, um sich auch auf zivilisierte Art aus dem Weg zu gehen...

3. Ist es sinnvoll, dass eine Gesellschaft beschlossen hat, Wohnraum als geldwerte Anlage zu begreifen? Oder geht es auch anders...