Zeitgenössische Architektur in Bayern

Liebling Plattenbau

Liebling Plattenbau

Buchtipp | Die Ästhetik der Platte – Wohnungsbau in der Sowjetunion zwischen Stalin und Glasnost...

Ein Buch für den Herbst. Nicht etwa, dass sich mit Plattenbauten eine bestimmte Jahreszeit verbinden ließe. Ein paar Wochen darf sich als Lesezeit aber ungefähr einplanen, wer sich den gewichtigen Band in aller Ruhe zu Gemüte führen möchte. Einmal querlesen geht bei über 700 Seiten sowieso nicht, querschauen schon. Und das ist vielleicht auch die beste Herangehensweise, um sich der Ästhetik der Platte zu nähern. Vielleicht bleibt man an den martialisch-bunten Wandmosaiken der Giebelseiten hängen, vielleicht an den Rasterfassaden, die in den gezeichneten Ansichten mehr noch als auf den Fotos ihre Wirkung entfalten, vielleicht kommt man über den Grundrissvariationen ins Grübeln, vielleicht lässt das Plattenbau-Quartett auf Seite 46/47 Kindheitserinnerungen aufsteigen. Der Unterhaltungswert steht bei diesem reich illustrierten Werk im parteibuchroten Einband und mit aufwendig geprägtem Schutzumschlag allerdings nicht an erster Stelle. Vielmehr soll der sowjetische Massenwohnungsbau im Zeitraum zwischen Stalin und Glasnost (1955–1991) in den Kontext der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden. Dass dies umfassend, fundiert und gut lesbar geschieht, dafür steht Philipp Meuser, seines Zeichens Experte auf dem Gebiet der sozialistischen Architektur und unter anderem Autor von Architektur für die russische Raumfahrt sowie den Architekturführern Moskau und Usbekistan. Die in drei Abschnitte eingeteilte Forschungsarbeit – die bisher umfassendste zum Wohnungsbau in der Sowjetunion – stellt zunächst den soziokulturellen und architekturtheoretischen Zusammenhang zwischen den Debatten der frühen Moderne und den Anfängen des industriellen Bauens in Europa her. Im Kern geht es um die bautechnische und gebäudekundliche Entwicklung des seriellen Wohnungsbaus in der UdSSR, der nicht nur den Alltag von 170 Millionen Sowjetbürgern prägte, sondern auch das Erscheinungsbild vieler Städte zwischen Kaliningrad und Wladiwostok. Das dritte Kapitel schließlich betrachtet den sowjetischen industriellen Wohnungsbau am Beispiel der Städte Moskau, Leningrad und Taschkent. Genau richtig für die Couch an grauen Herbsttagen.

Philipp Meuser
Die Ästhetik der Platte
Wohnungsbau in der Sovjetunion zwischen Stalin und Glasnost
235 × 275 mm, 728 Seiten
über 1.400 Abbildungen
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-86922-399-5
EUR (D) 98,00 / CHF 124,00 

www.dom-publishers.com