Zeitgenössische Architektur in Bayern

Drei Fragen an...

Johannes Ernst von Steidle Architekten erklärt im Video-Interview, warum man ihn auch als den 'Mastermind des Werksviertels' bezeichnet, wie der Konzertsaal in die Gesamtanlage hinter dem Ostbahnhof integriert wird und wie es mit den Planungen dort weitergeht.

Hinter dem Ostbahnhof, zwischen Frieden-, Mühldorf-, Ampfing-, Anzinger, Aschheimer und Rosenheimer Straße, soll auf 38 Hektar ein urbanes Stadtquartier entstehen. Wo einst Traditionsunternehmen wie Pfanni, Zündapp, Konen und Optimol ihre Produktionsstätten hatten und heute viele Nachtschwärmer unterwegs sind, werden einmal etwa 2.650 Menschen leben und 12.000 arbeiten. 

Was bisher geschah:
2001 hat die Stadt München für das Gebiet einen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb ausgelobt. Der erste Preis ging an das Büro 03 Architekten aus München mit dem Nürnberger Landschaftsarchitekten Professor Gerd Aufmkolk von der Werkgemeinschaft Freiraum. Auf Grundlage des Siegerentwurfs erstellte das Referat für Stadtplanung und Bauordnung einen Strukturplan in zwei Varianten. 2007 stimmte der Stadtrat den Eckdaten zu. 

Allerdings sahen sich einige der Grundeigentümer – allen voran Pfanni-Erbe Werner Eckart – in ihren unterschiedlichen Interessen nicht bestätigt und wollten daher nicht mitziehen. Sie beauftragten das Büro Steidle Architekten mit Werkgemeinschaft Freiraum Landschaftsarchitekten mit der Weiterentwicklung des Strukturplans und setzen sich dafür ein, dass die alten Hallen - insbesondere vier Gebäude der Kultfabrik - als identitätsstiftende Elemente erhalten bleiben. Auf Grundlage des weiterentwickelten Strukturkonzepts beschloss der Stadtrat im Oktober 2011, den Flächennutzungsplan zu ändern und den Bebauungsplan mit Grünordnung 2061 aufzustellen.

Das Projekt Werksviertel
Nach dem Leitbild "kompakt, urban, grün" sollen auf engem Raum alle Nutzungen des täglichen Lebens vereint werden: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Kultur und Freizeit. Mittelpunkt des neuen Quartiers wird ein 1,8 Hektar großer Park, von dem aus sich ein Netz aus Grün- und Freiflächen durch das Gebiet spannt. Vereinzelt sollen 60 bis 80 Meter hohe Hochhäuser städtebauliche Akzente setzen.

Das Nebeneinander alter Industriehallen und neuer Gebäude soll dem Quartier einen unverwechselbaren Charakter geben. WhiteBox, Kletterhalle, Tonhalle und Nachtkantine bleiben erhalten, ebenso u.a. der Gastronomiebedarf Hamberger und Rohde & Schwarz. Der Bereich Media Works Munich wird städtebaulich aufgewertet. Umgebaut und erweitert wird das "Werk 1", in dem Werner Eckart heute schon gemeinsam mit der Stadt München Start-up-Unternehmen günstige Büroflächen anbietet.

Wohnen
Um den zentralen Park herum entstehen etwa 1.150 Wohnungen in Blockrandbebauung, 30 Prozent davon in gefördertem Wohnungsbau. Die Häuser haben fünf bis sechs Geschosse, grüne Höfe und werden durch die daneben liegenden Gewerbe- und Kerngebiete vom Straßen- und Bahnlärm abgeschottet. Jede Wohnung soll eine Dachterrasse, einen Garten oder eine Loggia als "grünes Wohnzimmer" bekommen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner sind ein Begegnungszentrum, drei Kindertagesstätten und eine Grundschule geplant.

Arbeiten
Zu den 5.000 bestehenden Arbeitsplätzen sollen 7.000 neue in den Bereichen Gastronomie, Hotel, Dienstleistung und Einzelhandel hinzukommen. Entlang der Rosenheimer und Anzinger Straße sowie nördlich der Haager Straße konzentrieren sich gewerbliche Nutzungen in bestehenden und neuen Gebäuden. Die bestehenden Standorte sollen attraktiver und dichter werden. Höherwertiges, nicht störendes Gewerbe zwischen der Haager und Mühldorfstraße dient als Puffer zu den Wohngebieten. Der Medienstandort an der Rosenheimer Straße wird ausgebaut. Entlang der Friedenstraße an der Bahn ist ein Mix aus unterschiedlichen Nutzungen möglich: In den dichten Kerngebieten können Büros, Veranstaltungsorte, ein Hotel und Wohnungen entstehen.

Kultur und Freizeit
Die Pläne greifen die Geschichte des Geländes und die Umgebung auf. Industrielle Elemente, wie die ehemaligen Silos, das Werk 1 und 3 oder die Pfanni-Kantine, bleiben erhalten und sollen dem neuen Quartier einen unverwechselbaren Charakter geben. Die Silos beherbergen heute eine Kletterhalle, im Werk 3 befinden sich Ateliers, Ausstellungs- und Lagerflächen und in der Pfanni-Kantine residiert ein Restaurant. Die Gebäude sollen umgebaut, erweitert und durch neue Nutzungen wie Freizeit- und Sportangebote, Galerien, Einzelhandel, günstige Ateliers und besondere Wohnformen wie Lofts oder Studentenapartments ergänzt werden. Alle Nutzungen gruppieren sich eng nebeneinander und gestapelt um einen neuen zentralen Platz herum.

Einkaufen
Nördlich der Grafinger Straße entsteht ein Nahversorgungszentrum mit Läden für den täglichen Bedarf, Büros, Restaurants und einigen Wohnungen.

Straßen und Wege
Nur 14 Prozent der Fläche entfällt auf Verkehrsflächen. Durchgangsverkehr wird vermieden, indem Straßenführungen entlang der Erschließungswege geplant wurden und nur zwei Achsen das Areal queren. Erschlossen wird das Gebiet über grüne "Kommunikationsbänder" mit integrierten Fuß- und Radwegen, die Haager, Grafinger und eine neue "Medienstraße", die im Süden parallel zur Rosenheimer/Anzinger Straße verläuft. Das bisher hermetisch abgeschlossene Firmengelände wird durchlässiger. Die Hauptstraßen werden als Alleen gestaltet. Der Zugang zum Ostbahnhof soll verbessert werden. Das Gebiet ist gut an das örtliche und überörtliche Straßennetz angebunden.

Freiräume
Der Grünanteil liegt momentan bei 14 Prozent, 80 Prozent der Fläche ist versiegelt. Das wird sich ändern: Die öffentlichen Freiräume bekommen eine Schlüsselrolle für die nachhaltige Entwicklung des Quartiers und seiner Vernetzung mit den umliegenden Gebieten. Die Kommunikationsbänder laden zur Begegnung, zum Flanieren, Verweilen und Spielen ein. Sie werden von einspurigen Erschließungsstraßen eingerahmt. Der zentrale Park bildet die "grüne Mitte" des Quartiers.

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