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WAS GEHT UND WO? | Ein Blick in die jüngere Architekturszene in Europa

Ist die „Neue Ernsthaftigkeit“ auch in der Architektur angekommen? Und welchen Beitrag hat die heute junge Generation von Architekten – wobei „jung“ unter 45 bedeutet – dafür anzubieten, jenseits von Spektakel und Selbstreferenzialität, Parolen und Ideologien? Ein Rückblick von Jochen Paul

Diesen Fragen sollte die vom BDA München und Oberbayern organisierte zweitägige Veranstaltung im Vorhoelzer Forum der Technischen Universität München nachgehen, und dabei aus der „Innensicht“ der Architektur die gegenwärtig drängenden Fragen des Bauens und Planens diskutieren. Darüber hinaus ging es generell darum, den Gedankenaustausch von Vertretern der jüngeren europäischen Architekturszene, die allesamt durch erste Erfolge bereits auf sich aufmerksam gemacht haben darüber anzuregen, mit welchen Methoden und Strategien die junge Generation international auf die Bedingungen, unter denen heute Architektur entsteht, reagiert. Gefragt waren also die einzelnen Entwurfshaltungen, Leitbilder und gesellschaftlichen Positionen ebenso wie das Berufsbild des Architekten. Konzipiert und organisiert haben die Tagung Florian Fischer (www.fischermulterer.de) und Peter Scheller (www.palaismai.de).

Es begann am Nachmittag des 08. Dezember mit einem Austausch der eingeladenen Büros untereinander in informellem Rahmen: Über die von Land zu Land unterschiedlichen Produktionsbedingungen, über ihre jeweilige Haltung und darüber, wie sie untereinander vernetzt sind und welche Modelle der Nachwuchsförderung es gibt: Wie ist das Wettbewerbswesen organisiert, und was lässt sich davon auf andere Länder übertragen?

Aber auch darüber, wie sich Identität im Wohnungsbau schaffen lässt – damit dass sich die Mieter über die Adresse und das Haus hinaus auch mit ihrer Wohnung identifizieren? Wie wichtig sind Theorie, Lehre und Publikationen – mit Ignacio Burrego (DOSMASUNO, Madrid) und Pier Paolo Tamburelli (BAUKUH, Genua) waren zwei Architekten eingeladen, die in Personalunion auch redaktionell tätig sind.

Am Freitag, dem 09. Dezember folgten dann insgesamt sechs Blocks à vier Werkvorträge, gefolgt jeweils von einer 20-minütigen Diskussion. Dabei ging es um Themen wie „Objekte und Strategien für eine bessere Welt“, „Strukturen für den Alltag“, „Sensibilität und Radikalität“ oder „Autonomie und Kontextualität“. Vanessa Miriam Carlow (COBE, Kopenhagen/Berlin) sprach darüber, Gebäuden eine neue Identität zu geben, Dirk Somers (BOVENBOUW, Antwerpen) über Bauen in der Zwischenstadt, Job Floris (MONADNOCK, Rotterdam) Job Floris sprach über den Umgang mit Bestand im Wohnungsbau, und Axel Baudendistel (ATELIER AXEL BAUDENDISTEL, München) darüber, wie er im Entwurfsprozess Entscheidungen trifft.

Was bleibt nach zwei Tagen Präsentations- und Diskussionsmarathon? Darüber sprach muenchenarchitektur.com nach dem Symposium mit Peter Scheller von Palais Mai, einem der beiden Veranstalter.

Was war Eure Erwartung an „Was geht und wo?“?

Unser Ziel war es, von München aus eine europaweite Diskussion unter Architekten unserer Generation anzuregen und in Gang zu bringen, und das ist uns in jedem Fall gelungen. Das Niveau der Vorträge war durchgängig hoch, und das Feedback, das wir von den Teilnehmern bekommen haben, sehr positiv – sowohl was das Symposium selbst anging, als auch in Bezug auf die Auswahl der Teilnehmer. Oft findet auf solchen Podien keine Diskussion statt, weil sich die eingeladenen Blobber und Parametriker untereinander nicht viel zu sagen haben…
Allerdings dachten wir, dass sich die eingeladenen Büros von sich aus aktiver untereinander austauschen würden, aber dafür war der Donnerstagnachmittag vielleicht zu kurz und die Anzahl der Teilnehmer mit 24 eingeladenen Büros zu groß.

Was würdet Ihr in Zukunft anders machen?


Für nächstes Jahr überlegen wir, die Reihenfolge umzukehren: Erst die Präsentationen und Werkvorträge, und den informellen Austausch im Anschluss. Es wird aber mit Sicherheit eine Fortsetzung – ob in München, Barcelona oder Kopenhagen, steht noch nicht fest – und eine Publikation geben, vielleicht in Verbindung mit einer Ausstellung.

Was ist Euer persönliches Fazit?


Unsere Annahme war zunächst, dass es vergleichbare Veranstaltungen in anderen Ländern längst gibt, aber dann haben wir festgestellt, das „Was geht und wo?“ in dieser Form bisher einmalig ist, und auch viele der Teilnehmer waren davon, dass die Initiative zu der Veranstaltung aus München kam, positiv überrascht. Insofern haben wir mit „Was geht und wo?“ eine Lücke entdeckt und erfolgreich besetzt: Oft findet ein solcher Austausch nur in einem universitären Rahmen statt – insofern war es auch wichtig, mit dem BDA einen Veranstalter zu haben, der als Verband darüber hinausreicht.

Jochen Paul

Fotograf: Edward Beierle, München