Zeitgenössische Architektur in Bayern

Q+A Panel mit Momoyo Kaijima vom Atelier Bow-Wow

Ein grober Holztisch inmitten der Goldenen Bar. Drei stadtbekannte Freunde und eine illustre Persönlichkeit aus weiter Ferne. Draußen klirrende Kälte und drinnen wohlige Wärme. Der Abend versprach interessant zu werden.
Mathias Ottmann (Südhausbau), Eva Kraus (Galerie Steinle), Mathieu Wellner (Haus der Kunst) hatten in das Haus der Kunst geladen, um Momoyo Kaijima vom Atelier Bow-Wow als ersten Gast ihres neuen Veranstaltungsformat Q+A Panels in Empfang zu nehmen. Eingeladen war ein enger Kreis von dem "man sich erhofft, dass er nicht nur Wissenslücken schließen, sondern neue Fragen aufwerfen würde". Die Moderation verantwortete Hannes Rössler, Experte auf dem Gebiet moderner Japanischer Architektur in Japan.

Momoyo Kaijima eine Koryphäe von Weltruf beehrt München

Dem eingefleischten Münchner Architektur-Liebhaber sollte Kaijima-san bereits durch das Erscheinen ihres Partners Yoshiharu Tsukamoto vor einigen Monaten in der Architekturgalerie bekannt sein. Als Architekt kleiner und kleinster Häuser, deren Exotik Hannes Rössler bereits vor 10 Jahren im Rahmen seiner Publikation „Mini Häuser Japan" (leider vergriffen) aufdeckte, sind die beiden nicht nur stadtbekannt sondern weltberühmt. Aus der Schule Kazunari Sakamoto stammend - seinerseits Schüler von Kazuo Shinohara - gründeten sie 1992 das international erfolgreiche Atelier Bow-Wow. Kaijima-san hat seit 2000 in der Tsukuba-Universität einen Lehrauftrag. Auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig - unter der Leitung ihrer Landmännin Kazuyo Sejima - vertrat sie ihr Heimatland Japan und zeigte im Rahmen von „Tokyo Metabolizing" ihre Gedanken zu „House Behaviorology" auf. Woher nimmt sie nur die Zeit?


Nakajin Capsule Hotel


Leerer oder Void Metabolism
In deutscher Sprache - ein Novum - bemühte sich Kaijima-san zunächst um eine Übersicht ihres Konzepts von „Void Metabolism" wiederzugeben, was thematisch an die gleichnamige Bewegung unter der geistigen Führung so berühmter Namen wie Kisho Kurokawa, Fumiko Maki and Kiyonori Kikutake anknüpft. Der Metabolism gehörte bekanntlich bis in die 1970iger Jahre zu einer der wichtigsten Architektur-Bewegungen seiner Zeit und fand in der Weltausstellung der Expo '70 in Osaka seinen vorläufigen Höhepunkt. Die gemeinsame Schnittmenge zu dem Konzept des „Void Metabolism" ist in den Augen der Denker hinter dem diesjährigen japanischen Biennale-Beitrag - allen voran Koh Kitayama, Ryue Nishizawa und Yoshiharu Tsukamoto - eben „Tokyo Metabolizing": Die ständig sich erneuernde Großstadt Tokyo mit ihren kleinsten Einheiten, die sich um öffentliche sprich unbesetzte Zwischenräume versammelt halten.

Im Gegensatz zu den Metabolisten der Nachkriegszeit, die hier entlang einer organischen Regenerierung um zentrale und strukturtragende Elemente die Variabilität modularer Wohneinheiten in der Art des Nakajin Capsule Hotel von Kisho Kurokawa thematisierten, möchte die jüngste Architektengeneration Japans nun das Konzept in die Horizontale kippen und zwar aus folgendem Grund:

"The megastructure used to be something that architects would construct. But the CITY is the new megastructure, a system that people tap into. In Tokyo, in fact, the city is treated by its inhabitants as an enormous extended home, with convenience stores... working like the fridge and medicine cabinet. The home just plugs in. In other words, Metabolism is still here and very real. It is just not so easy to see."

Abgesehen davon, dass es diese Art des Metabolim auf der Biennale sehr wohl zu sehen gab (dies beweist folgender Videoausschnitt) wird in diesem Zitat von Hitoshi Abe deutlich, dass den nicht nur öffentlichen Zwischenräumen in der Betonwüste Tokyos also zentrale Funktionen zugemutet werden. Es drängt sich der Gedanke auf, ob dieses wagemutige Zitat dann wirklich eine Berechtigung hat, oder einfach nur ein weiteres Beispiel werbewirksamer Architektenträume ist? Hinsichtlich der urbanen Regeneration, die mehr oder weniger in jeder Stadt zu beobachten ist, droht nicht zuletzt die Gefahr ein architekturhistorisch bedeutsames Konzept seines sinngebenden Gehalts zu entleeren.

Ein Lebenswerk im Schnelldurchgang

Auch ein Stück weit von der Motivation getrieben den illustren Zuhörerkreis von den eigenen Qualitäten zu überzeugen, stellte Kaijima-san im Schnelldurchgang einige andere Projekte vor, wobei neben den Wohnungsbauten in Paris, in den Augen des einen oder anderen, wohl die Four Boxes Gallery der Krabbesholm Højskole in Dänemark architektonisch besonders herausragend war. Darüber lässt sich natürlich streiten. Angesichts der dann schon fortgeschrittenen Stunde schien Kaijima-san bei ihren Erläuterungen zum Entwurf der Revitalisierung des Expo-Areals in Aichi nicht recht ihre Intention verdeutlichen zu können.
An dieser Stelle möchte ich exemplarisch das Objekt erwähnen, dass in der anschließenden Fragerunde am meisten Aufsehen erregen sollte. Es handelt sich hierbei um ...


Pony Garden


Das Haus, das dem Pony weichen musste"

Diejenigen, die es auf die diesjährige Architekturbiennale geschafft haben, kennen es als „a house for a woman, whose dream is to live with a pony after retirement" wie der offiziellen Beschreibung zu entnehmen war. Um etwaige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, möchte ich etwas ausholen, um die Relevanz des Projekts um den Pony Garden zu verdeutlichen:
Vorab sollte hier zunächst betont werden, was Pony Garden nicht ist: Bei der Konzeption dieses etwas aparten Bauwerks geht es weder darum, einer exzentrischen Dame ihren lang verleugneten Kindheitstraum eines Ponys zu erfüllen noch à la Tarantino die Formensprache aus dem Mittleren Westen Amerikas zu zitieren. Wer auf der Bow-Wow Homepage schließlich die Begrifflichkeit „Pet-Architecture" ausfindig gemacht hat, geht auch falsch in der Annahme, dass sich Kaijima-san und ihr Partner auf artgerechte Haustierhaltung spezialisiert hätten. Denn „Pet" ist in diesem Zusammenhang programmatich als Lieblingsarchitektur zu verstehen. Hinter dem Themenkomplex „Pet-Architecture" verbergen sich vielmehr jene Bauten, mit denen das Atelier die letzten Zwischenräume der Megapolis Tokyo bepflanzt. Also worum geht es denn dann wirklich?
Der architekturtheoretische Diskurs rund um James Gibson's Affordance-Theorie aus dem Jahr 1982 ist dem ein oder anderen Interessierten ein Begriff. Dort geht es, vereinfacht gesagt, um die Multifunktionalität bzw. Nutzungseigenschaften alltäglicher Gebrauchsgegenstände und deren Wandel. Als vehemente Vertreter dieser Geistesströmung und der damit verbunden Konsequenzen ist Bow-Wow's Pony Garden vor allem anderen ein Haus, dass die Erkundung und Umsetzung neuer Funktionalitäten verkörpert. Das Haus, das dem Pony weichen musste, ist nicht das Ergebnis rein menschlicher Begierde. Pony Garden ist vielmehr die gegenständliche Kritik eines rein homozentrischen Planungsgebots. Das ausladende Fassadenfenster dient nicht nur dem Ausblick, es ist auch zur Fütterung des geliebten Haustiers gedacht und bietet somit Raum für alternative Nutzungsformen, die offensichtlich nicht nur humanen Funktionalitäten unterzuordnen sind. Dieses Projket verkörpert also mit erfrischender Lebendigkeit ein Stück weit auch ein bewusstes Understatement architekturtheoretischer Überlegungen zur Fuktionserweiterung im modernen Hausbau.

Der erste Abend dieser neuen Q+A Panel-Reihe ist seiner Zielsetzung gerecht geworden. Auch wenn, oder vielleicht gerade weil, manche Frage entlang dieser interkulturellen Übersetzungstätigkeit vielleicht Hintergrundwissen verlangt hätte und manche Antwort das Pluszeichen zwischen dem Q und dem A gefährdete. Dennoch ein anregender und interessanter Abend, in elegantem Ambiente. Wir freuen uns bereits auf die nächste Fragerunde und werden wieder berichten.

Ein Rückblick von Mathias Hamp


Zur Idee hinter der Gleichung Q+A
Question plus Answers ist in den Worten Ottmanns gleich „Einbindung der Gäste in die Diskussion". Dieses neue Diskussionsformat beruht auf der geteilten Begeisterung seiner Initiatoren für moderne Architektur und urbanistische Themen. Halbjährlich versprechen die Q+A Panels Themen „aus dem weiten Bereich der Architektur und Urbanistik so zu studieren, dass tatsächlich einige Antworten zu virulenten Fragestellungen gefunden werden können."