Zeitgenössische Architektur in Bayern

Gläserne Waschstraße

Waschstraßen gehören zu den Paraphernalien unserer Mobilität und bestimmen wie andere Gewerbebetriebe mit lieblos gestalteten anonymen Hüllen das Erscheinungsbild unserer Gewerbegebiete und Haupteinfallstraßen. Die von den Architekten Lydia Haack + John Höpfner in Germering neu gebaute Waschstraße ist hier eine erfreuliche Aussnahme, die in der Einheit von Funktion und Konstruktion, vom Städtebau bis ins Detail überzeugt.

Um das Ortsbild nicht mit einem Gewerbebetrieb zu beeinträchtigen, wurde die Waschstraße dem Gelände quer zur Einfahrtsstraße vorgelagert. So wird die Ortskante baulich gefaßt, der dahinterliegende Betriebshof verdeckt und über den Einblick in die Waschhalle die Funktion des Gebäudes vermittelt. Mit diesem Konzept - der Anordnung und Organisation der Waschstraße und deren Transparenz - gelang es den Stadtrat für dei benötigte Änderung des Bebauungsplans zu gewinnen.

Funktional wird die 3-schiffige Anlage bestimmt durch die beiden Seitentrakte, die umlaufend und rahmenlos mit Gußglasprofilscheiben verglast sind, und den Mittelteil, in dem die Fahrzeuge auf einer Kette durch die Waschvorrichtungen gezogen werden. Der Kunde folgt außerhalb des Fahrzeugs im linken, östlichen Trakt seinem Auto und erhält über Displays und durch die in das Profilglas integrierten Klarglasfenster Einblick in den Waschprozeß. Der westliche Trakt, ebenfalls beidseitig verglast, nimmt Technik und Nebenräume als eingestellte Raumzellen auf. Am Anfang und Ende des mittleren Trakts, übergibt der Kunde das Auto bzw. erhält es gereinigt zurück.

Neben den Hauptzufahrtstoren wird der Bereich der Wagenübergabe durch zusätzlich Schnelllauftore vor der Nässe und dem Lärm der Waschhalle geschützt. In der Mitte der Waschhalle sind 5 akustisch entkoppelte ETFE-Luftkissen angeordnet, 2 davon sind zur natürlichen Belüftung öffenbar, die als Oberlichter die Halle natürlich belichten.

Bedingt durch die Funktion einer Waschanlage sind die Trennwände der beiden Seitenflügel mit Nässe, Chemie, Lärm und Wasserdruck stark belastet, stärker als eine normale Aussenfassade. Daher sind diese beiden Flügel bandartig umlaufend mit einer Aussenwandkonstruktion aus Profilglas umschlossen, das lediglich oben und unten in einer Führungsschiene gehalten wird. So entsteht der Eindruck eines 4 m hohen Screens, der die Baukörper zweckmäßig, knapp und klar umspannt, fast umschmeichelt, diese aber auch optisch auflöst.

Die Wahl der transparenten Baustoffe Profilglas und ETFE ist funktional bestimmt, beide sind resistent gegen die eingesetzten Reinigungsmittel, pflegeleicht, und aufgrund der Transparenz auch leicht auf Dichtigkeit und Feuchteschäden hin prüfbar. Bei beiden Baustoffen ist Wartung und Austausch schnell ausführbar, ohne lange Standzeiten für den Betrieb.

Bauphysikalisch ist eine vollverglaste Hülle im Allgemeinen kritisch zu betrachten. Hier aber stellen die thermischen Gewinne des Techniktraktes, die der Fahrzeugtrocknung zugeführt werden, einen Beitrag zur Energieeinsparung, Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Anlage dar. Die natürliche Entlüftung über das bewegliche Pneudach reduziert die Laufzeiten der Abluftgebläse. Es ergeben sich wirtschaftliche, technische und ökologische Vorteile über die Glashülle und die beweglichen Luftkissendächer. So entsteht eine Einheit zwischen Transparenz, Gestaltung, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit, zwischen Waschstraßentechnik und Gebäudehülle.

Nachts wird die Anlage zu einem Leuchtobjekt, die Hülle tritt nahezu vollkommen zurück, wird zur vielschichtigen, illuminierten semi-transparenten Kulisse in einer Inszenierung von Bewegung und Licht, von Technik und Konstruktion. Bei aller Funktionalität und technischen Konsequenz mehr als nur ein Gewerbebetrieb.

zum Interview mit Lydia Haack

  • Standort

    Landsberger Straße 2
    82110 Germering
    Kartenansicht (Google Maps)

  • Bauherr

    Allguth GmbH

  • Fertigstellung

    2004

  • Baumaßnahme

    Neubau